Horst Wiehe-Preis für die Entdeckung, warum der Zellulose-Aufbau wie auf Schienen läuft
Dr. Martin Bringmann erhält den Horst Wiehe-Preis der Deutschen Botanischen Gesellschaft (DBG) 2013
Zuckerkabel um die Zellen
Zellulose ist eine der drei Komponenten, aus denen Pflanzen ihre Zellwand aufbauen. Dazu verknüpfen Zellulose-synthetisierende Protein-Komplexe (CESA) wie Maschinen unablässig Glukosemoleküle zu langen, stahlharten Zellulosefasern. Diese Zuckerkabel wickeln sich in mehreren Schichten um die Zelle und umhüllen sie so mit einem Schutzschild.

Wie die Zellulosefasern in die Zellwand eingebunden werden, beeinflusst auch in welche Richtung Pflanzen wachsen, was sie beispielsweise befähigt, dem Licht entgegen zu wachsen, da sie ja nicht dorthin laufen können. Bislang war jedoch ungeklärt, woher die CESA-Maschinerie weiß, wie sie um die Zelle wandern muss, um die Zellulosefasern richtig anzuordnen und ihr die charakteristischen Eigenschaften zu verschaffen.
Mutanten und Cheerleader
Mit einer Kombination mehrerer Methoden zeigte Bringmann in seiner Doktorarbeit, wie die CESAs ihren Weg finden. Dazu analysierte er eine Mutante der Modellpflanze Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), die nur schlecht Zellulose bildet, und die er von Professorin Dr. Marie-Theres Hauser aus Wien erhalten hatte. Die haarig geschwollenen Wurzeln der Mutante erinnerten die Forscher an Pompoms, die Tanzwedel in den Händen von Cheerleadern, weshalb sie das verantwortliche Gen pom-pom2 tauften. Wie Bringmann am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam in Kooperation mit seinen Wiener Kolleginnen bewies, bewegt sich die Zellulose herstellenden CESAs in der Mutante nicht auf denselben Bahnen, wie bei Wildtyp-Pflanzen.
Protein verknüpft die Schiene mit der Maschinerie
Als Bahnen auf denen sich die Maschinerie entlang bewegt, hatte man schon länger die röhrenförmigen Mikrotubuli im Visier, die auch als Zellskelett bezeichnet werden, weil sie der Flüssigkeit in einer Zelle Struktur verleihen.
Um das Bindeglied zwischen Mikrotubuli und Zellwand zu finden, entwickelte Bringmann erst bioinformatische Methoden, um einzelne Gene zu identifizieren, die den Bauplan für das gesuchte Eiweiß enthalten. Anschließend charakterisierte er ein erfolgsversprechendes Gen und analysierte die Funktionen des von ihm abgeleiteten Proteinprodukts. Er taufte es gemeinsam mit Dr. Staffan Persson vom Potsdamer Max-Planck-Institut auf die wissenschaftliche Bezeichnung POM/POM2/CSI1. Wie Bringmann zeigte, interagiert das Protein mit der gerade Zellulose herstellenden CESA-Maschinerie und sitzt außerdem auf den Mikrotubuli.
Fehlt dieses Eiweiß, geht die Orientierung der Zellulosefasern verloren, die Pflanzen können nicht mehr gerade wachsen und ihre Zellen verdrehen sich. Ist es vorhanden, laufen die Zellulose-aufbauenden CESAs wie auf Schienen an den Mikrotubuli um die Zelle entlang, während sie die Zuckerbausteine zu den langen Zellulosefäden für die Zellwand aneinanderfügen. Bringmann, der inzwischen als Post Doc an der kalifornischen Stanford University arbeitet, konnte damit zweifelsfrei belegen, dass es sich um das lang gesuchte Bindeglied handelt, das das innere Mikrotubuli-Skelett mit dem äußeren Zellwand-Skelett verbindet.
Zellulose - das häufigste Molekül der Erde
Seine Ergebnisse zur Orientierung der Zellulose-Moleküle in Pflanzen entstammen zwar der klassischen Grundlagenforschung sind aber auch für die angewandte Forschung interessant. „Zum einen verleiht Zellulose Holz seine typischen Eigenschaften und ist das häufigste organische Molekül der Erde“, erklärt Professor Dietz, der Präsident der DBG. „Aber auch Papierproduzenten und die Textilindustrie sowie die Hersteller von Bioethanol nutzen Zellulose und Zellulosefasern. Den Wissenschaftlern eröffnet Bringmanns Erkenntnis neue Wege, um Wachstum und Entwicklung von Pflanzen zu erforschen. Die Deutsche Botanische Gesellschaft verleiht Martin Bringmann den Horst-Wiehe-Preis, weil seine Ergebnisse einen fundamentalen Fortschritt im Verständnis der Zellulosesynthese brachten.“
Hintergrund
Die Deutsche Botanische Gesellschaft e.V. (DBG) verleiht den Horst-Wiehe Preis alle zwei Jahre für eine herausragende wissenschaftliche Arbeit über ein ausschließlich pflanzenwissenschaftliches Thema. Das Preisgeld stammt aus der Horst Wiehe-Stiftung. Der Namensgeber bat die DBG, geeignete Nachwuchswissenschaftler zu identifizieren. Die DBG ist die gemeinnützige deutschsprachige Organisation für Pflanzenwissenschaftlerinnen und Pflanzenwissenschaftler und fördert die Pflanzenforschung sowie den wissenschaftlichen Austausch ihrer etwa 850 Mitglieder.
Ansprechpartner
Dr. Martin Bringmann
Department of Biology
Stanford University
Stanford, CA 94305
E-Mail: mbringmn@stanford.edu
Website: http://www.stanford.edu/group/bergmann/cgi-bin/bergmannlab/home
Martin Bringmann ist vom 17. – 20.9.2013 an der Universität in Stanford in Kaliforniern zu erreichen, sowie am 30.9.2013 zur Preisverleihung auf der Botanikertagung in Tübingen.
und
Prof. Dr. Karl-Josef Dietz
Biochemie und Physiologie der Pflanzen
Fakultät für Biologie - W5
Universität Bielefeld
33501 Bielefeld
Deutschland
Tel. ++49 (0)521 1065589
E-Mail: karl-josef.dietz@uni-bielefeld.de
Website: http://web.biologie.uni-bielefeld.de/pflanzenbiochemie/