Zellbiologie und Biophysik von Algen

Zellbiologie und Biophysik von Algen

Die Gruppe von Dr. Adrian Nievergelt interessiert sich für die grundlegenden molekularen Prozesse, welche der Funktion von Algenzellen zu Grunde liegen. Ein besonderer Schwerpunkt ist die Biologie von Zilien sowie intrazelluläre Transportmechanismen. Die Gruppe arbeitet vor allem mit der grünen Modellalge Chlamydomonas Reinhardtii und verwendet Präzisionsgenetik, fortgeschrittene Licht- und Elektronenmikroskopie, biochemische Methoden und entwickelt neue, spezialisierte Instrumente zur Unterstützung des Forschungsschwerpunktes.
 

Algen sind eine vielfältige Gruppe photosynthetischer Eukaryonten, die überwiegend im Wasser leben. Ihre atemberaubende Vielfalt führt zu einer großen Bandbreite an potenziellen Verwendungsmöglichkeiten für den Menschen, sei es als Nahrungsquelle oder als nachhaltiges, photosynthetisches Chassis für die Biotechnologie. Im Gegensatz zu Blütenpflanzen besitzen Algen in der Regel Basalkörper und Zilien (Flimmerhärchen), die der Fortbewegung dienen. Diese auf Mikrotubuli basierenden Organellen finden sich im gesamten Stammbaum des Lebens und sind für alle Säugetiere lebenswichtig. Diese Organellen sind in ihrem nahezu kristallinen Aufbau einzigartig und zeichnen sich durch ihre axiale Drehsymmetrie und ihre sich in Längsrichtung wiederholenden Strukturen aus, die sich über eine Länge von mehreren Mikrometern erstrecken. Defekte in dieser Struktur, die im Allgemeinen als Ziliopathien bezeichnet werden, verursachen beim Menschen seltene, aber oft schwerwiegende Krankheiten.

Die im Labor verwendete einzellige Grünalge Chlamydomonas hat zwei solcher Zilien, die sie zur Fortbewegung nutzt. Da Chlamydomonas sehr einfach zu kultivieren ist, schnell wächst und leicht genetisch manipuliert werden kann, ist sie ein idealer Modellorganismus für die Zilienbiologie, inklusive der Vielzahl von intrazellulären Transportprozessen, die an Aufbau und Erhaltung der Zilien beteiligt sind.

Die Gruppe nutzt ein Spektrum von hochmodernen biochemischen Techniken, hochauflösende Lichtmikroskopie und (Kryo-)Elektronenmikroskopie zusammen mit präzisen gentechnologischen Methoden, um strukturelle und funktionelle Einblicke in das Innenleben von Algenzellen zu gewinnen. Zusätzlich zu diesen etablierten Techniken entwickelt die Gruppe neue Methoden und Instrumente mit dem Ziel, unter anderem folgende Fragen zu beantworten:

Wie sind die Zilien auf molekularer Ebene aufgebaut?

In vollständig ausgebildeten Zilien sind über 2000 verschiedene Proteine vorhanden. Während ein großer Teil der strukturellen Architektur der Zilien heute bekannt ist, ist der Prozess, wie ein Zilium von Grund auf neu aufgebaut wird, nicht bekannt. Wir interessieren uns für die molekulare Dynamik, die während dieses unglaublich komplexen Aufbauprozesses abläuft. Dieser dauert nur wenige Minuten und benötigt ein hochentwickeltes System aktiven Transports, den so genannten Intra-Flagellaren Transport oder IFT.

Wie werden zelluläre Bestandteile an vorbestimmte Stellen in der Zelle transportiert?

Die Vielzahl von Proteinen, aus denen Zellen bestehen, müssen an ihren vordefinierten Bestimmungsort transportiert werden um die korrekte Funktion der Zelle sicherzustellen. In Zilien werden diese Proteine entweder in das starre zentrale Gerüst (Axonem genannt) integriert, in die Ziliarmembran transportiert oder in das ungeordnete Zilioplasma gebracht. Wie dies geschieht, ist grösstenteils unbekannt, und wir sind besonders daran interessiert, wie gewisse Komponenten selektiv in die Zilien diffundieren können oder transportiert werden, während andere am Eindringen gehindert werden.

Was sind die Bestandteile der Zilienmembran und welche Funktionen haben sie?

Bei allen Zilien umschliesst eine Membran das zentrale Axonem. Diese Membran wiederum enthält eine Vielzahl von Transmembranproteinen, die an verschiedenen Funktionen beteiligt sind. Diese reichen von mechanischem Schutz bis zur chemischen, mechanischen und optischen Wahrnehmung der Umgebung. Die Zusammensetzung sowie die Struktur und Funktion der Bestandteile sind heute noch nicht genau bekannt. Wir sind daran interessiert zu verstehen, wie die Ziliarmembran von Mikroalgen als Schnittstelle zur direkten Umgebung fungiert und wie die Wahrnehmung und Übertragung mechanischer Kräfte auf struktureller und biochemischer Ebene erfolgt.

 

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