Pflanzenzüchtung findet schon seit über zehntausend Jahren statt. Damals noch ohne Kenntnis der Mendel'schen Regeln nach dem Zufallsprinzip, heute mit Hilfe genauester Analysemethoden werden Pflanzen in ihren Eigenschaften für die Nutzung durch den Menschen optimiert.

Was ist Pflanzenzüchtung?

Der Mensch nutzt die Möglichkeiten der Natur

Ziel der Pflanzenzüchtung ist es, Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften zu erzeugen. Grundlage der klassischen Pflanzenzüchtung ist die Auslese (Selektion) von Pflanzen mit erwünschten Merkmalen und deren gezielte Kreuzung miteinander. Beim Kreuzen von Pflanzen werden die Eigenschaften zweier Pflanzen neu kombiniert – gute und schlechte. Deshalb ist wiederholtes Kreuzen mit anschließender erneuter Auslese notwendig, um die günstigen Eigenschaften zusammenzuführen und die negativen möglichst auszuschließen.

Zur Erreichung der vielfältigen Zuchtziele ist es von entscheidender Bedeutung, wie groß die Vielfalt der Merkmale innerhalb einer Pflanzenart ist. Je größer die genetische Vielfalt, aus der ausgewählt werden kann, umso wahrscheinlicher ist es, das gewünschte Zuchtziel zu erreichen. Pflanzen mit der erwünschten Eigenschaftszusammensetzung werden vermehrt und gelangen nach verschiedenen Prüfungen als neue Sorte auf den Markt.

 

Woher kommen unsere Kulturpflanzen?

Eine Jahrtausende alte Geschichte

Der Mensch rodete am Ende der Steinzeit die für die mitteleuropäische Landschaft typischen Wälder und wählte bestimmte Pflanzen für den Anbau auf diesen Flächen aus. Hierdurch fand eine Änderung der natürlichen Artenzusammensetzung statt und es entstanden Äcker und Wiesen.

Innerhalb der angebauten Pflanzenarten wählte der Mensch die Pflanzen für den weiteren Anbau aus, die im Hinblick auf seine Bedürfnisse die günstigsten Eigenschaften besaßen. So wurden beispielsweise Einzelpflanzen mit längeren Ähren oder größeren Früchten für den weiteren Anbau ausgesucht. Damit nahm nicht nur die Anzahl der ertragreicheren Pflanzen zu, auch ihr Erbgut reicherte sich im Bestand an. Dadurch fand eine Änderung der genetischen Zusammensetzung innerhalb der angebauten Arten statt.

Viele unserer Kulturpflanzen (Weizen) sind so bereits vor Jahrtausenden durch menschliche Eingriffe aus Wildformen entstanden. Aus Wildgräsern entstanden unsere heutigen Getreidearten. Unsere Hauptgetreidearten Weizen, Gerste und Roggen, aber auch Mais, Kartoffeln und Tomaten wurden aus anderen Regionen der Welt nach Europa eingeführt.

 

Warum brauchen wir überhaupt Pflanzenzüchtung?

Ziele der Pflanzen sind nicht Ziele des Menschen

In der Natur sind für Pflanzen diejenigen Eigenschaften von Vorteil, die ihre Anpassungsfähigkeit an die Umwelt verbessern und ihre Konkurrenzkraft erhöhen FRAG DIE PFLAUME. Eigenschaften, die der Pflanze das Überleben sichern, können die Nutzung durch den Menschen aber stören oder gar verhindern. Frühzeitiger Samenausfall, Produktion von Bitter- oder Giftstoffen zur Feindabwehr.

Deutlich wird dies am Beispiel von Getreide: Zu Beginn des Getreideanbaus wählte der Mensch diejenigen Pflanzen für den Anbau aus, deren Samen möglichst lange an der Ähre verblieben und nicht frühzeitig auf dem Feld oder beim Transport herausfielen. Der Mensch erzielte damit höhere Erträge, schränkte aber gleichzeitig die Fortpflanzungsfähigkeit der Pflanze ein. Deswegen muss das Getreide gedroschen werden, damit das Korn (der Samen) freigesetzt wird.

Fast alle unserer heutigen Nutzpflanzen sind außerhalb der bewirtschafteten Äcker nicht überlebensfähig, da sie hohe Ansprüche an die Bodenbeschaffenheit und die Nährstoffversorgung stellen und darüber hinaus wenig konkurrenzfähig gegenüber den Wildpflanzen sind.

 

Welche Ziele verfolgt der Mensch bei der Züchtung?

Ziele des Menschen sind nicht Ziele der Pflanzen

Für jede Kulturpflanzenart gibt es bestimmte Zuchtziele. Diese Zuchtziele beziehen sich auf:

  • die Ertragsfähigkeit
  • die Ertragssicherheit (u.a. Standfestigkeit, Widerstandskraft gegen Schädlinge und Krankheiten, höhere Toleranz gegen klimatische Einflüsse)
  • die Verbesserung der Qualität (Inhaltsstoffzusammensetzung im Hinblick auf Gesundheit, Geschmack oder Verarbeitungseigenschaften)
  • die Anpassung der Pflanzen an Produktionsprozesse (z.B. gleichmäßige Reifung, einheitliche Halmlänge)
  • die verbesserte Ressourcenausnutzung (Nährstoffe, Wasser etc.)

 

Worauf beruhen pflanzliche Eigenschaften?

Die Gene der Eltern bedingen die Eigenschaften der Kinder

Grundlage der Eigenschaften sind die Informationen, die in Form von Genen im Zellkern von Pflanzen auf der DNA gespeichert sind (Frag die Traube, Teil 1). Für die Ausbildung von Eigenschaften kann entweder ein einziges Gen verantwortlich sein oder mehrere Gene zusammen bedingen sie.

Pflanzen können ungefähr 30.000 (Ackerschmalwand) bis zu mehr als 60.000 Gene (Weizen) besitzen. Bei der Befruchtung werden die Gene von Vater und Mutter neu kombiniert. Es entstehen Nachkommen mit neuer Eigenschaftszusammensetzung (Frag die Traube, Teil 1). Je größer die Vielfalt innerhalb einer Art, desto größer ist ihre Kombinationsmöglichkeit. Die Aufgabe des Züchters besteht darin, aus dieser Vielfalt die besten Kandidaten für die Weiterzucht auszuwählen. Für Eigenschaften, die nicht sofort sichtbar sind, wie z.B. der Geschmack oder bestimmte Krankheitsresistenzen, ist dies besonders schwierig.

 

Wie vermehren sich Pflanzen eigentlich?

Von Blüten und Klonen, Bienen und Wind

Die Fortpflanzung bei Pflanzen erfolgt entweder sexuell über Bestäubung und Befruchtung oder asexuell über vegetative Vermehrung.

Bei der sexuellen Fortpflanzung werden in den Blüten der Pflanzen Pollen und Eizellen gebildet. Man unterscheidet die Selbstbestäubung, bei der der Pollen einer Blüte auf die Narbe derselben Blüte gelangt, von der Fremdbestäubung, bei der der Pollen aus der Blüte einer Pflanze auf die Narbe der Blüte einer anderen Pflanze übertragen wird.

Die Art der Bestäubung hat entscheidenden Einfluss auf die Eigenschaftszusammensetzung der Nachkommen und ihre Vielfältigkeit. Da im Falle der Selbstbestäuber Samen und Pollen von ein und derselben Pflanze stammen, sind die Nachkommen sowohl untereinander als auch im Vergleich zur Elternpflanze weitgehend identisch.

Nur durch Mutationen oder Fremdbefruchtung kann bei diesen Pflanzen das Erbgut verändert werden.

Bei Fremdbestäubung stammen Pollen und Eizelle von verschiedenen Pflanzen. Dabei kann der Pollen durch Insekten oder durch den Wind zu den Empfängerpflanzen transportiert werden. Die Nachkommen aus einer solchen Kreuzung setzen sich aus einer Vielzahl genetisch unterschiedlicher Pflanzen zusammen.

Neben der sexuellen Fortpflanzung gibt es bei Pflanzen auch die Möglichkeit der asexuellen Fortpflanzung. Hierbei entstehen durch die so genannte vegetative Vermehrung Pflanzen, die genau dieselben Eigenschaften besitzen wie die Ursprungspflanze. Man bezeichnet solche Pflanzen auch als Ableger oder Klone. Beispiele für diese Art der Vermehrung sind Kartoffeln oder Erdbeeren. In Abhängigkeit von der Fortpflanzungs- und der Bestäubungsart sind unterschiedliche Züchtungsmethoden entwickelt worden.

Welche Züchtungsmethoden gibt es?

Verschiedene Wege führen zum Ziel

Weltweit geht rund ein Drittel der Ernte durch Pflanzenkrankheiten, Schädlinge und Unkräuter verloren. Darüber hinaus sind die zukünftigen Herausforderungen enorm, bedingt durch eine beständig wachsende Weltbevölkerung bei gleichzeitig abnehmenden Anbauflächen und sich wandelnden klimatischen Bedingungen. Um auch weiterhin in ausreichender Menge qualitativ hochwertige und umweltverträglich produzierte Erträge zu erzielen, benötigen wir eine leistungsfähige und innovative Pflanzenzüchtung.

Im letzten Jahrhundert konnten die klassischen Züchtungsmethoden, die auf Selektion und Kreuzung basieren, um neue Praktiken ergänzt werden. Durch Techniken, die das Aufspüren der für die Weiterzucht geeigneten Pflanzen erleichtern oder Techniken, die das Hinzufügen einzelner Eigenschaften ermöglichen, konnte die Pflanzenzüchtung effektiver gestaltet werden. Die Vorraussetzungen dafür wurden durch Grundlagenforschung an Pflanzen geschaffen.

Klassische Methoden

Die Auslesezüchtung ist die älteste Zuchtform. Sie wurde zunächst als Massenauslese betrieben, bei der es zum Anbau verbesserter Gemische einer Pflanzenart kam. Später wurden aus diesen Gemischen (Landsorten) die besten Einzelpflanzen ausgewählt. Dadurch wurden die Landsorten in genetisch einheitliche Linien zerlegt (Landrassen).

Unter Kombinationszüchtung versteht man die Kreuzung von Pflanzen mit dem Ziel, Merkmale neu zu kombinieren. Dabei können verschiedene Sorten einer Kulturpflanze miteinander gekreuzt werden oder es werden Wildarten in die Kulturpflanze eingekreuzt.

Aus den Einzelkreuzungen werden nur die erfolgversprechendsten ausgelesen. Während man bei Selbstbefruchtern die Eigenbefruchtung verhindern muss, um neue Kombinationen herstellen zu können (künstliche Kreuzung), wird bei Fremdbefruchtern gezielt mit einem anderen Partner gekreuzt.

Die Hybridzüchtung ist eine Weiterentwicklung der Kombinationszüchtung. Zwei genetisch unterschiedliche, aber reinerbige Elternpflanzen (Inzuchtlinien) werden miteinander gekreuzt. Die Nachkommen dieser Kreuzung sind ihren Eltern in Wuchs und Ertrag weit überlegen. Dieses Phänomen wird Heterosis genannt. Das Erntegut einer Hybridsorte kann allein schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht als Saatgut verwendet werden, da in der Folgegeneration durch Eigenschaftsaufspaltung der Heterosiseffekt und damit der hohe Ertrag verloren geht.

Bis zur fertigen Sorte müssen zahlreiche Prüfungen durchgeführt werden. Von der ersten Kreuzung bis zur Sortenzulassung dauert es etwa 12 bis 15 Jahre.

 

Neue, ergänzende Methoden

In der markergestützten Züchtung werden molekularbiologische Techniken wie PCR, Sequenzierung oder Inhaltsstoffbestimmung (Frag die Traube, Teil 2 - in Bearbeitung) eingesetzt, um Kreuzungsnachkommen auf ihre genetische Zusammensetzung hin zu untersuchen und mit den Ausgangspflanzen zu vergleichen. Durch die Erstellung eines solchen „genetischen Fingerabdrucks“ kann bereits bei Jungpflanzen festgestellt werden, welche für die Weiterzucht geeignet sind. Der Züchtungsaufwand verkürzt sich.

Smart Breeding ist eine „Verfeinerung“ der markergestützten Züchtung. Diese auch als Präzisionszucht bezeichnete Methode ermöglicht es, interessante Genvariationen aufzuspüren oder Wildpflanzen gezielter und effektiver als bislang für die Züchtung zu nutzen.

Während die Mutationszüchtung durch radioaktive Bestrahlung oder Chemikalien das Erbgut ungerichtet verändert und damit die Eigenschaftzusammensetzung von Pflanzen nur zufällig und ungezielt beeinflusst, erfolgt bei der Gentechnik die gezielte Einfügung eines Gens oder weniger Gene und damit neuer Eigenschaften. Diese Einfügung kann über Art grenzen (transgene Pflanze) hinweg, aber auch innerhalb einer Art (cisgene Pflanze) erfolgen.

 

Wozu brauchen wir Genbanken?

Vielfalt von Eigenschaften sichern

Da Züchtung auf einer ständigen Auswahl von Pflanzen beruht, kann dies zu einer Verengung des Genpools innerhalb einer Pflanzenart führen. Diese Verengung ist dann besonders gravierend, wenn zu Beginn der Nutzung einer Pflanzenart durch den Menschen nur einige wenige Typen domestiziert und zur Weiterzucht verwendet wurden.

Als Züchter und Wissenschaftler dies erkannten, wurden Genbanken angelegt, in denen die genetische Vielfalt von Pflanzen in Form von Samen gesammelt und aufbewahrt wird. Durch die neuen und effektiveren Züchtungsmethoden werden zukünftig die gelagerten alten Sorten oder Wildtypen vermehrt genutzt und die Genbanken an Bedeutung gewinnen.

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