
Die systematische Selbsttäuschung beim Thema Gentechnik Von Ralph Bock
Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, zum Thema „Grüne Gentechnik“ bis auf weiteres nichts mehr zu schreiben. Vor gut zwei Jahren hatte ich im Auftrag der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) in einer Expertengruppe des Verbandes der Europäischen Wissenschaftsakademien (European Academies Science Advisory Council, EASAC) alles zusammengetragen, was sich zum Thema aus wissenschaftlicher Sicht sagen lässt. Der Auftrag der Akademien an die Arbeitsgruppe war dabei klar definiert: streng wissenschaftliche Analyse des Status quo und des Potentials neuer Züchtungsverfahren in der Landwirtschaft zur Sicherung der Welternährung. Beleuchtet werden sollten nicht nur Anwendungen der konventionellen grünen Gentechnik sondern auch neuartige Technologien, wie etwa die inzwischen als revolutionär gepriesenen „Genome Editing“-Technologien (CRISPR/Cas, TALENs, Zinkfinger-Nukleasen, Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese, etc.). Eingang in das Abschlussdokument der Arbeitsgruppe sollten nur wissenschaftlich belegbare Tatsachen und Fakten finden, keine statistisch fragwürdigen Studien, Mutmaßungen, polemische Argumente oder Glaubensbekenntnisse. Entstanden ist ein von allen Akademien getragenes Dokument unter dem Titel „Planting the future: opportunities and challenges for using crop genetic improvement technologies for sustainable agriculture“, das 2013 in Brüssel der EU-Kommission, europäischen Politikern und der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt wurde – und das seither frei verfügbar ist (einschließlich einer Kurzzusammenfassung für Laien; www.easac.eu/home/reports-and-statements/detail-view/article/planting-the.html). Inzwischen verweise ich wissenshungrige Journalisten, Lehrer und Politiker gern auf diese bequeme Informationsquelle und erspare mir damit viele Interviews, Gesprächsrunden und Podiumsdiskussionen.