Systemischer und Synthetischer Stoffwechsel
Unter „metabolic engineering“ versteht man die Veränderung von Stoffwechselwegen mit dem Ziel, die Produktion erwünschter Stoffe zu erhöhen, die Herstellung unerwünschter Stoffe zu reduzieren bzw. ganz auszuschalten oder die Herstellung völlig neuer chemischer Verbindungen zu bewirken. Die Voraussetzung für solche gezielten Änderungen oder Optimierungen ist ein umfassendes und solides Verständnis der biochemischen Prinzipien, die die Stoffwechselabläufe steuern.
Die biochemische Logik von Stoffwechselprozessen
Wir nutzen sowohl rechnerbetonte als auch experimentelle Ansätze um die Beziehung zwischen verschiedenen Elementen des Stoffwechsels aufzudecken. Zum Beispiel untersuchen wir die Thermodynamik und Kinetik, aber auch die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Inhaltsstoffen und ihre Stabilität, ihr Reaktionsvermögen und ihre Konzentration in lebenden Organismen.
Unser Ziel ist es, alle diese Aspekte, wie thermodynamische Machbarkeit, chemische Antriebskraft, Enzymaktivitäten, Ressourcennutzungseffizienz und Inhaltsstoffstabilität, sowie Reaktionsvermögen und Membrandurchlässigkeit unter vereinheitlichten Bedingungen miteinander zu verbinden, um unterschiedliche Stoffwechselwege miteinander vergleichen zu können. Diese Methode könnte dazu genutzt werden, jeweils die Vor- und Nachteile vorauszusagen, die im Stoffwechselgeschehen bei unterschiedlichen Bedingungen auftreten werden und sie bietet einen vielversprechenden Weg für die Optimierung von Stoffwechselwegen.
Neue Wege im Kohlenstoffstoffwechsel
Heutzutage stammen die meisten Chemikalien, die wir für unsere Industriegesellschaft benötigen, direkt oder indirekt von fossilem Kohlenstoff ab, zum größten Teil vom Erdöl. Der Abbau und die Nutzung des Erdöls hat zu wachsender Luftverschmutzung und steigendem CO2 - Gehalt der Luft geführt. Deshalb ist es unverzichtbar alternative und nachhaltige Wege zu finden, um die Stoffe herzustellen, aus denen unsere Gebrauchsgegenstände bestehen. Das Konzept der Bioraffinerie, dass sich in jüngster Zeit immer größerer Beliebtheit erfreut, hat die Idee voran getrieben den wachsenden Bedarf und die Nachfrage nach speziellen Chemikalien wie Kraftstoff, Lösungsmittel, Plastik, Farben und Arzneimittel usw. in lebenden Organismen herzustellen, statt sie durch industrielle Prozesse zu produzieren.
Ein-Kohlenstoffverbindungen bieten eine einzigartige Möglichkeit für Ausgangsstoffe, die in großem Maßstab in Bioraffinerien mittels mikrobiellen Wachstums gewonnen werden könnten: sie können einfach erzeugt werden und sind die einfachsten organischen Verbindungen, die beides bieten, Kohlenstoff und einen verminderten Energiebedarf der Zelle. Ameisensäure ist besonders interessant, da sie sehr effektiv aus verschiedenen verfügbaren Quellen einschließlich elektrochemischer Reduktion oder Hydrierung von Kohlenstoffdioxid und partieller Oxidation von Ligno-Zelluloser Biomasse oder Methan produziert werden kann.
Wir erforschen alle möglichen Wege des Formiat Stoffwechsels mit einem bedingungsabhängigen Modellierungsansatz und nutzen die gesamte Bandbreite von Stoffwechselenzymen, die der Wissenschaft als mögliche Komponenten bekannt sind. Die Kandidatenstoffwechselwege werden gemäß der weiter oben beschriebenen verschiedenen Aspekte und Gestaltungsprinzipien verglichen. Die wichtigsten Optimierungseigenschaften sind hoher Biomasseertrag, hohe Stoffwechselrate und eine minimale Anzahl notwendiger fremder Enzyme.
Wir wollen die vielversprechendsten Stoffwechselwege in heterotrophen sowie photoautotrophen Organismen implementieren und damit den Weg für die Herstellung von verschiedenen Chemikalien aus Ameisensäure vorbereiten. Wir glauben, dass ein solcher Ansatz zukünftig zum Aufbau von Bioraffinerien beitragen kann, in der unsere globale chemische Industrie ihre Bausteine ausschließlich von lebenden Organismen erhalten kann.
Neugestaltung des Zentralstoffwechsels

Zentrale Stoffwechselwege scheinen bei allen Lebewesen vertreten zu sein, vom einfachsten Bakterium bis hin zu komplexen Lebewesen. Es ist nicht klar, in welchem Umfang die Ähnlichkeiten des Netzwerks sich aus ihrer Optimalität oder alternativ durch einen einzigartigen Zufall am Ursprung des Lebens ergeben. Eine Möglichkeit, diese Frage zu untersuchen, besteht darin, den zentralen Stoffwechsel neu zu gestalten, um ihn dann in dieser veränderten Form auf einen Wirt zu übertragen und dann seine Aktivitäten zu testen. Genauso wie mehrere Alternativen zur Glykolyse und zum TCA-Zyklus möglich sind, können zahlreiche synthetische Designs des Zentralstoffwechsels implementiert und in-vivo getestet werden.
Wir können beispielsweise durch die Verwendung von speziell zugeschnittenen Inhaltsstoffumleitungen, Bakterien dazu bringen, giftige, instabile oder auf andere Weise schwierige Metabolite für das Zellwachstum zu verwenden. Solche Experimente ermöglichen es uns, die Anpassungsfähigkeit von Organismen an schwierige Bedingungen zu erkunden, die ihre Fitness erheblich verändern können. So lernen wir die Formbarkeit des Zentralstoffwechsels besser verstehen.