Am Beispiel Mais: Forscher identifizieren genetische Basis des Pflanzenwachstums

Bislang galt die Genetik des Wachstums als zu komplex für eine Kartierung. Mit neuer Methodik gelingt es Universität Hohenheim, MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie und IPK Gatersleben, relevante DNA-Abschnitte einzugrenzen

22. Mai 2012
Ein Zusammenspiel vieler Gene legt fest, ob Pflanzen groß- oder kleinwüchsig ausfallen. Am Beispiel Mais gelang es Züchtungsforschern der Universität Hohenheim nun erstmals, relevante DNA-Abschnitte für das Pflanzenwachstum zu identifizieren. Als Wegweiser dienten ihnen Stoffwechsel-Komponenten, die das Wachstum beeinflussen. Möglich wurde ihr neuer Ansatz durch die spezielle Expertise am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie und dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK). Jetzt stellen sie ihre Ergebnisse in der kommenden Ausgabe der renommierten US-Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) vor.

Im Wachstum zeigt Mais eine erstaunliche Vielfalt. Doch welche genetischen Mechanismen dafür sorgen, ob eine Pflanze nur wenige Zentimeter oder mehrere Meter hoch wächst – das ist eine Frage, die Forscher bis vor kurzem noch vor Rätsel stellte.

Gewissheit hatten die Wissenschaftler nur in einem Punkt: „Das Pflanzenwachstum ist ein sehr komplexer Prozess, bei dem viele Gene beteiligt sein müssen“, erklärt Prof. Dr. Albrecht Melchinger, Leiter des Fachgebiets Angewandte Genetik und Pflanzenzüchtung der Universität Hohenheim. „In unserem Verständnis klaffte eine riesige Lücke zwischen dem genetischen Code einer Pflanze und ihrem Erscheinungsbild auf dem Feld“, ergänzt Doktorand Christian Riedelsheimer.

Stoffwechsel-Komponenten als Wegweiser zum DNA-Code

Zusammen mit ihren Kooperationspartnern haben die Züchtungsforscher nun dafür gesorgt, dass die Lücke zwischen Gen und Aussehen nicht mehr ganz so groß ist. Ihr Ansatz: Statt allein den genetischen Code direkt nach Kontrollstellen für das Pflanzenwachstum zu durchforsten, wählten sie einen erweiterten Weg über den Stoffwechsel der Pflanze.

Dazu extrahierten sie die Stoffwechselkomponenten aus den Blättern von 300 Maispflanzen unterschiedlicher Größe. Am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Golm bestimmten sie die Gehalte von 118 verschiedenen Substanzen, darunter sehr viele, die am Wachstum der Pflanze beteiligt sind. Dazu verwendeten sie neueste Analyseplattformen, mit denen sich diese Inhaltsstoffe hochpräzise messen lassen.

„Es ist wie bei einem Bauprojekt, bei dem spezialisierte Handwerker zusammenarbeiten“, vergleicht der Max-Planck-Forscher Prof. Dr. Lothar Willmitzer. „Jede Substanz ist wie ein Bauteil für eine ganz bestimmte Funktion und zusammen ergeben sie ein funktionierendes Gebäude.“

Ein Beispiel: Unter anderem identifizierten die Forscher Vorstufen für die Ligninproduktion. Lignin ist ein Molekül, das Pflanzen verholzen lässt – und damit die Grundvoraussetzung für einen stabilen Wuchs, der das Gewicht von meterhohen Pflanzen tragen kann.

Statistisches Verfahren aus der Humanmedizin

Mit dieser Detailkenntnis bestimmten die Forscher die Abschnitte im Genom, die die Produktion dieser Stoffwechselkomponenten steuern. Dazu kooperierten sie mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben.

„Für die Identifikation haben wir sehr umfangreiche Genomdaten erhoben und ein sehr effektives statistisches Analyseverfahren verwendet“, so Prof. Dr. Thomas Altmann vom IPK in Gatersleben. Das Verfahren wird bisher vor allem in der Humangenetik eingesetzt, um die genetischen Ursachen von Krebs, Diabetes und anderen Krankheiten zu ermitteln.

Kartierung lokalisiert genetische Regulation von 26 Metaboliten

Bislang konnten die Wissenschaftler die genetischen Kontrollstellen für 26 Stoffwechselmetabolite mit hoher Präzision lokalisieren. Damit ist die Genetik des Wachstums zwar noch nicht vollständig aufgeklärt. „Unser Ansatz zeigt jedoch einen vielversprechenden Weg, tiefere Einblicke in die Pflanze und deren Regulation des Wachstums zu nehmen“, so Doktorand Riedelsheimer.

Dass Stoffwechselkomponenten eine Schlüsselstellung in der Züchtungsforschung einnehmen können, zeigte das Team bereits in einer Veröffentlichung am 15. Januar 2012 in Nature Genetics. Durch Stoffwechseluntersuchungen und Genanalysen gelang es den Forschern, ideale Elternpaare für neue Züchtungen mit mehr Ertrag zu identifizieren (http://dx.doi.org/10.1038/ng.1033).

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