Mit einer Kombination aus alter Methode und moderner Technologie zu neuen Pflanzensorten
Wie eine 2000 Jahre alte Methode eine Renaissance erfährt um mit Hilfe hochmoderner Molekularbiologie Pflanzen zu züchten
Forschenden des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie ist es gelungen mittels einer von ihnen entwickelten cleveren Kombination aus klassischer Pflanzenveredelung mit hochmoderner Molekularbiologie stabile geneditierte Pflanzen herzustellen, die nicht von klassisch gezüchteten oder natürlich entstandenen Mutationen zu unterscheiden sind. Diese neu entwickelte Methode ist außerdem geeignet schneller Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu züchten und kann bei einer Vielzahl von Pflanzen genutzt werden, bei denen bisher die Geneditierung nicht eingesetzt werden konnte. Veröffentlicht haben die Forscher*innen ihre Ergebnisse aktuell im renommierten Fachjournal Nature Biotechnology.
Die Entwicklung neuer Pflanzensorten als Lebensmittel, zur Energiegewinnung und als Rohstofflieferant für die Industrie ist angesichts sich verändernder klimatischer Bedingungen und der damit verbundenen Notwendigkeit zur beschleunigten Abkehr von fossilen Ressourcen ein wichtiges Forschungs- und Entwicklungsfeld. In der klassischen Pflanzenzucht müssen Pflanzen über viele Generationen selektiert, gekreuzt, vermehrt und untersucht werden bis eine neue Sorte mit den gewünschten Eigenschaften entsteht.
Moderne gentechnische Methoden können diesen Prozess enorm beschleunigen. Die Entdeckung der sogenannten Genschere CRISPR/Cas erlaubt es mittlerweile schnell und gezielt Gene in Pflanzen zu verändern, um so Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften zu erzeugen. Obwohl die Züchtung mit CRISPR/Cas bereits weniger Zeit beansprucht als klassische Züchtungsmethoden, dauert es aber doch noch einige Zeit bis die Pflanzen Marktreife erlangen, da die zuvor eingeführte CRISPR/Cas (Fremd) DNA aufwändig wieder aus der Pflanze entfernt werden muss, weil diese ansonsten langfristig die genetische Stabilität der Pflanzen stören könnten.
Dr. Lei Yang und Dr. Frank Machin haben gemeinsam mit weiteren Kolleg*innen der Arbeitsgruppe von Dr. Friedrich Kragler am Max-Plank-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, im Rahmen eines BMF und ERC geförderten Projektes, eine neuartige Methode entwickelt, die es ermöglicht auf langwieriges Rückkreuzen zu verzichten. Bereits in der ersten Generation können mit Hilfe dieser Methode genveränderte Samen produziert werden, die keinerlei fremde DNA mehr enthalten und von traditionell gezüchteten oder natürlich entstandenen Pflanzen nicht zu unterscheiden sind.
Grundlagen der neuen Methode
Im Zellkern jeder einzelnen Zelle sind alle Informationen die eine Pflanze zum Leben und Wachsen braucht in Form der DNA gespeichert. In der DNA verschlüsselt sind die Baupläne für Proteine, die praktischen Akteure, die alle Arbeiten in der Zelle verrichten und im Wesentlichen die Eigenschaften eines Organismus bestimmen. Da die Erbinformation sehr wertvoll ist, darf sie unter keinen Umständen beschädigt werden und verbleibt daher immer im Zellkern. Die Umsetzung der DNA in Proteine findet aber im Zellplasma statt. Hierzu werden Teile der DNA in eine kurzlebige Transportform, die sogenannte Boten-RNA oder englisch Messenger-RNA (mRNA) übersetzt. Diesen Vorgang nennt man Transkription.
Dr. Kragler erläutert: „Die sogenannte Genschere CRISPR/Cas wird selbst als DNA Sequenz in die pflanzliche DNA im Zellkern eingeführt und besteht aus zwei Komponenten. Zum einen aus dem sogenannten Guide, der eine Basenabfolge besitzt, die der Basensequenz an genau der Stelle der pflanzlichen DNA entspricht, die später von der Genschere verändert werden soll. Zum anderen aus der Sequenz für die Genschere selbst, dem Protein CAS9, welches in der Lage ist pflanzliche DNA zu schneiden. Mit Hilfe der CRISPR/Cas-Technologie können so an einer genau definierten Stelle Veränderungen in der DNA der Pflanze ausgelöst werden. Nachdem die gewünschte Veränderung erreicht ist, muss in bisherigen Verfahren aber die DNA Sequenz der Genschere selbst noch durch aufwändige Rückkreuzungen aus den Zellkernen der Pflanze entfernt werden.“
Nutzung neuer Technik mit Hilfe alter Methode
Der Clou der Geschichte ist, dass eine mehr als 2000 Jahre alte Technik, das Pfropfen - das normalerweise zur Veredelung von Obstbäumen und Reben eingesetzt wird - genutzt werden kann, um sofort Pflanzen und Samen zu produzieren, die zwar die neuen Eigenschaften besitzen, aber keine Fremd-DNA enthalten.
Um dies zu erreichen, schnitten die Forscher*innen den Stängel einer Pflanze, deren Zellkerne DNA der Genschere enthalten, über dem Wurzelstock ab und pfropften den Spross einer genetisch unveränderten Empfängerpflanze darauf. Wie die Arbeitsgruppe um Friedrich Kragler bereits in früheren Arbeiten herausgefunden hat, können Wurzelstock mRNAs mit bestimmten Eigenschaften bis zum Blütengewebe transportiert werden. Die Forscher haben daher die DNA Sequenz der Genschere so angepasst, dass die mRNA Kopien aus dem Wurzelstock in die genetisch nicht veränderten, oberirdischen Teile verschickt werden. Dort wird dann auch in den Blüten der Pflanze aus der mRNA das Genscheren-Protein hergestellt, was die entsprechenden Veränderungen in den Pflanzenzellen hervorruft. Ein Teil der Samen, die aus diesen Blüten hervorgehen trägt dann bereits in der nächsten Generation die gewünschte Genveränderung. Sie sind aber frei von jeglicher Fremd-DNA und von natürlich entstandenen Varianten nicht zu unterscheiden.
Viele Kulturpflanzen können schwer oder nicht gekreuzt werden, oder haben wie z.B. Obstbäume sehr lange Generationszeiten. Wenn man hier die Fremd-DNA durch Kreuzung wieder herausbekommen wollte, würde dies viele Jahre dauern. Hier könnte der gentechnische Veredelungsansatz den Züchtern neue Möglichkeiten eröffnen, die diesem Bereich bisher verwehrt waren. Dr. Kragler sieht aber noch ganz andere Einsatzmöglichkeiten dieser neuen Technik, da viele Kulturpflanzen für die CRISPR/Cas9 Genschere nicht oder schwer zugänglich sind: „Bisher sind gezielte gentechnische Methoden nur für wenige, sehr gut erforschte Pflanzen wie Tabak oder Acker-Schmalwand etabliert. Da aber das Veredeln durch Pfropfung häufig auch zwischen vielen gar nicht so nahen verwandten Arten funktioniert und man die Wurzelstöcke leicht vermehren kann, ist es denkbar, dass ein Wurzelstock gleich mehrfach benutzt werden kann, um gezielt Pflanzen verschiedener Arten oder Zuchtsorten mit erwünschten neuen Eigenschaften zu versehen.“ Mit dieser Kombination aus alter Methode und moderner Molekularbiologie könnten also zukünftig schnell und kostengünstig neue Sorten gezüchtet werden. TL, URS, FK, DF