Das Gleichgewicht zwischen Festhalten und Wachsen lassen bei Pflanzen

Forschungsbericht (importiert) 2021 - Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie

Autoren
Caldana, Camila; Calderan-Rodrigues, Maria Juliana
Abteilungen
Forschungsgruppe Stoffwechselregulation des Pflanzenwachstums
Zusammenfassung
Aufgrund des Klimawandels und der steigenden Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln ist es von entscheidender Bedeutung, die grundlegenden Mechanismen zu verstehen, die das Pflanzenwachstum steuern, um besonders die Kultivierung von Nutzpflanzen weltweit zu verbessern. Durch die Kombination von Genetik, systembiologischen Ansätzen, Hochdurchsatz-Bildgebungsverfahren und mathematischer Modellierung konnten wir die molekularen Hauptakteure bei der Kontrolle des Pflanzenwachstums im Zuge der Reaktion auf wechselnde Umweltbedingungen identifizieren.

Mehr Menschen und immer weniger Ackerfläche auf unserem Planeten

Pflanzen sind standortgebunden und wachsen durch Photosynthese. Die Wachstumsrate von Pflanzen wird außer durch das lebensnotwendige Sonnenlicht durch zahlreiche weitere Umweltfaktoren wie Wasser, CO2, mineralische und organische Nährstoffe beeinflusst, die sich allesamt auf die Versorgung der Pflanze auswirken. Intern müssen Pflanzen die ihnen in unterschiedlichen Mengen zur Verfügung stehenden Ressourcen mit ihrem Wachstum in Einklang bringen, was nur durch ein komplexes regulatorisches Netzwerk erreicht werden kann. Wir untersuchen, wie das dynamische Regulationsnetzwerk des pflanzlichen Stoffwechsels das Wachstum und andere von uns Menschen erwünschte agronomische Merkmale, im Besonderen den Ernteertrag, steuert. Dabei konzentrieren wir uns auf zwei Fragen: i) wie nehmen Pflanzen ihre Ressourcen wahr und ii) wo setzen sie diese Ressourcen ein, um ihren Stoffwechsel während ihres Lebenszyklus an die Wachstums- und Entwicklungsanforderungen anzupassen.

Die Jahreszeiten wahrnehmen, um das Wachstum zu optimieren

Als autotrophe Organismen fangen Pflanzen Lichtenergie ein, um CO2 in Energie und Zucker umzuwandeln, was für ihr Wachstum und ihre Fortpflanzung unerlässlich ist. Der Ablauf der Photosynthese wird von variablen Umweltbedingungen, zum Beispiel Lichtintensität und Temperatur, stark beeinflusst, da die Produktion von Zucker und Energie sorgfältig angepasst werden muss, um Wachstum optimal zu fördern und Entwicklungsübergänge geordnet zu durchlaufen (Abb. 1). Bei dem Target Of Rapamycin (TOR) handelt es sich um eine Proteinkinase und einen Sensor für den Energiestatus. Eine Fehlfunktion dieses evolutionär konservierten Kinase-Komplexes, der auch in uns Menschen vorkommt, ist die Ursache vieler Stoffwechselkrankheiten wie Typ-2-Diabetes, Krebs und Fettleibigkeit, was die Bedeutung des auf TOR basierenden Regulationsnetzwerks bei der Erkennung des Stoffwechsel- und Energiestatus für eine angemessene Wachstumsregulierung unterstreicht.

Unsere Forschungsgruppe war eine der ersten, die die Bedeutung des TOR-Netzwerks aufzeigte [1, 2]. Seitdem haben wir mithilfe der Modellpflanze Arabidopsis thaliana, die wir in unterschiedlichsten Umgebungen kultiviert haben und orientiert an den Jahreszeiten weitere und neue Akteure in dem von TOR gesteuerten wachstumsvermittelnden Netzwerk entschlüsselt.

Jahreszeitliche Veränderungen sind vor allem auch über die unterschiedlichen Tageslängen, die sogenannten Photoperioden, erkennbar, wodurch sich die Zeitspanne der Photosynthese und folglich die Verfügbarkeit von Zucker und der Energiestatus ständig ändern. Um den Fortpflanzungserfolg zu steigern, müssen die Pflanzen ihre Blütezeit mit den jahreszeitlichen Veränderungen abstimmen. Eine verfrühte Blüte würde die Akkumulation ausreichender Nahrungsressourcen für die Samenproduktion einschränken, während eine späte Blüte die Samenentwicklung unter nicht optimalen Bedingungen, wie sie beispielsweise im Herbst vorliegen, gefährden könnte. Es sind die langen Tage, die die Blütenbildung in Arabidopsis induzieren, und wir fanden, dass TOR die Informationen über den Zucker- und Energiestatus und die Länge der Photoperiode derart zusammenführen kann, dass die Blütezeit optimal induziert wird. Eine solche zeitspezifische Regulierung maximiert das Wachstum und ermöglicht eine größere Ressourcenerfassung und Energieverfügbarkeit für nachfolgende Entwicklungsschritte und konsequenterweise auch für den Fortpflanzungserfolg.

Wenn Pflanzen jedoch begrenzten Energieressourcen ausgesetzt sind, zum Beispiel bei kurzen Tagen, wird die TOR-Aktivität durch einen neuen Akteur, das Gerüstprotein FCS-like zinc finger 14 (FLZ14), gebremst. Pflanzen, denen FLZ14 fehlt, haben selbst unter Kurztagsbedingungen eine höhere Biomasseakkumulation, was auf eine erhöhte TOR-Aktivität zurückzuführen ist. Die Präzision, mit der TOR den Nährstoffstatus in Wachstums- und Entwicklungsprogramme umsetzt, um eine metabolische Homöostase zu erreichen, scheint daher ein entscheidender Aspekt der pflanzlichen Plastizität zu sein (Abb. 2). Ein besseres Verständnis der Funktionsweise, wie Stoffwechsel- und Entwicklungsprozesse miteinander verknüpft sind, wird uns helfen, die feinen Mechanismen zu entschlüsseln, mit denen Pflanzen ihre Ressourcenallokation regulieren und folglich ihre Darwinian Fitness, also ihren Fortpflanzungserfolg, optimieren.

Neue Akteure, die die Bildung von Biomasse in Nutzpflanzen kontrollieren

Die Ressourcenzuweisung innerhalb der Pflanze bestimmt, wo die Biomasse eingesetzt wird. Zuckerrohr beispielsweise ist sehr effizient bei der Umwandlung von Sonnenlicht in Biomasse, die uns Menschen als Ausgangsmaterial für die Herstellung von Ethanol, Zucker, hochwertigen Produkten und „grüner“ Energie dient. Angesichts der komplexen genetischen Struktur von Zuckerrohr – es ist polyploid im Gegensatz zur diploiden Gattung Arabidopsis – besteht ein großer Engpass darin, molekulare Marker zu identifizieren, die für die Auswahl von Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften nützlich sind. Infolgedessen kann die Freigabe neuer Sorten bis zu 15 Jahre dauern.

Da mehrere agronomische Merkmale mit dem Stoffwechsel zusammenhängen, haben wir Metabolit-Profiling, Genom-by-Sequencing und phänotypische Daten kombiniert, um Assoziationen zwischen Phänotyp, Genotyp und dem Stoffwechsel anhand unabhängiger Populationen zu ermitteln. Wir haben über 200 Assoziationen an Metaboliten mit Positionen auf Chromosomen kartiert und vielversprechende Kandidatengene identifizieren können, wie zum Beispiel diejenigen Komponenten des TOR-Signalwegs, die mit bestimmten Metaboliten und der Biomassebildung ko-lokalisiert im Genom vorliegen. Diese Ergebnisse werden uns helfen zu verstehen, wie Veränderungen im Gleichgewicht der Kohlenstoffverteilung innerhalb der Pflanze für mehr Plastizität bei der nachhaltigen Nutzung der Biomasse sorgen.

Literaturhinweise

1.
Caldana, C.; Li, Y.; Leisse, A.; Zhang, Y.; Bartholomaeus, L.; Fernie, A. R.; Willmitzer, L.; Giavalisco, P.
Systemic analysis of inducible target of rapamycin mutants reveal a general metabolic switch controlling growth in Arabidopsis thaliana
Plant Journal 73, 897-909 (2013)
2.
Caldana, C.; Martins, M. C. M.; Mubeen, U.; Urrea-Castellanos, R.
The magic “hammer” of TOR: the multiple faces of a single pathway in the metabolic regulation of plant growth and development
Journal of Experimental Botany 70, 2217-2225 (2019)
Zur Redakteursansicht