Was Carotinoide mit Pflanzenertrag und Toleranz zu tun haben
Wie Veränderungen im Carotinoid-Stoffwechsel den Ertrag und die Stresstoleranz erhöhen und den Nährstoffgehalt von Pflanzen verbessern können
Carotinoide sind sekundäre Pflanzenstoffe, die von Menschen und Tieren mit der Nahrung aufgenommen werden und wichtige Aufgaben im Körper von Säugetieren erfüllen. Umgewandelt in Vitamin A sind sie maßgeblich an Wachstum, Zellbildung, Fortpflanzung und Sehkraft beteiligt. β-Carotin ist ein starkes Antioxidans, das den durch sogenannte freie Radikale verursachten Zellschäden entgegenwirken kann. Carotinoide sind aber nicht nur für Menschen und Tiere von großer Bedeutung, sie erfüllen auch in Pflanzen wichtige Aufgaben. In einer aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Metabolic Engineering veröffentlichten Studie konnte ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Dr. Juan C. Moreno vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie zeigen, wie sich Veränderungen im Carotinoid-Stoffwechsel auf die Biomasseproduktion und die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen (Fitness) bei Pflanzen auswirken.
Bevölkerungswachstum und Klimawandel erfordern eine neue Generation von Nutzpflanzen
Die Verbesserung des Ertrags, des Nährwerts und der Toleranz gegenüber abiotischem Stress sind wichtige Ziele aktueller züchterischer und biotechnologischer Ansätze, die darauf abzielen, die Pflanzenproduktion zu steigern und die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Nahrungsmittelproduktion aufgrund der wachsenden Weltbevölkerung bis 2050 verdoppeln muss. Die globale Erwärmung und anthropogene Aktivitäten, die sich auf landwirtschaftliche Ökosysteme und damit auf die Ernteerträge auswirken, erschweren die Erreichung dieses Ziels. Darüber hinaus verursachen abiotische Stressfaktoren, insbesondere Versalzung und Trockenheit, erhebliche Ernteverluste mit Ertragseinbußen von fast 50 %. Daher wird dringend eine neue Generation von Nutzpflanzen benötigt, die höhere Erträge und eine verbesserte Stresstoleranz aufweisen.
Neue Ansätze zur Verbesserung von Ertrag und Stresstoleranz
In den letzten zehn Jahren waren Photosynthese und Photorespiration die bevorzugten Ziele, um Pflanzenerträge zu verbessern. Diese Ansätze zielen jedoch nur auf den Pflanzenertrag ab und lassen die Stresstoleranz und den Nährstoffgehalt außer Acht.
Wie frühere Arbeiten von Dr. Moreno und seiner Kollegen zeigen, führte die Einführung des DcLCYB1-Gens aus der Karotte (Daucus carota) in den Tabak nicht nur zu wachstums- und entwicklungsfördernden Effekten, sondern auch zu einer erhöhten Toleranz gegenüber abiotischen Stressfaktoren. Der Grund hierfür wird verständlich, wenn man sich die Funktionen, die Carotinoide in Pflanzen erfüllen, näher anschaut. Carotine und Xanthophylle bilden die beiden Hauptgruppen der Carotinoide. β-Carotin und Xanthophylle haben in der Pflanze vielfältige Aufgaben, so beispielsweise bei der Photosynthese und der Bestäubung. Sie sind Schlüsselkomponenten der photosynthetischen Membranen, bilden Pigment-Protein-Komplexe, die für den Lichtschutz unerlässlich sind (auch Pflanzen können durch zu viel Licht geschädigt werden) und sind auch Vorstufen verschiedener Pflanzenhormone, wie Abscisinsäure (ABA) oder Strigolactone (SLs). Daher können sich Veränderungen im Carotinoidgehalt auf die Photosynthese, die Schutzmechanismen gegen abiotischen Stress und den Hormonhaushalt und damit auf den Gesamtertrag, die Stresstoleranz und die Nährstoffzusammensetzung auswirken.
Eine hohe Produktivität gepaart mit größerer Stresstoleranz und besserem Nährstoffgehalt ist möglich
„Aufbauend auf diese früheren Experimente mit Tabak wollten wir herausfinden, ob andere LCYB-Gene, die von anderen Pflanzen oder Bakterien stammen, eine wirtschaftlich wichtige Kulturpflanze wie die Tomate beeinflussen würden", so Dr. Moreno. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten deshalb verschiedene Tomatenlinien, die LCYB-Gene aus der Narzisse (Narcisus pseudonarcisus), der Tomate (Solanum lycopersicum) bzw. dem Bakterium Pantoea ananatis (früher bekannt als Erwinia uredovora) exprimieren, im Hinblick auf Wachstum und Stresstoleranz sowie auf allgemeine Stoffwechselveränderungen. Die Frage war, ob unabhängig vom Ursprung des eingeführten LCYB-Gens dieselbe Wirkung wie bei Tabakpflanzen, die das DcLCYB1-Gen exprimieren, auftreten würde. In der Tat zeigte sich, dass die Einführung eines einzelnen Gens des Carotinoid-Biosyntheseweges (LCYB) in verschiedene Tomatensorten, tiefgreifende Veränderungen in den Carotinoid-, Apocarotinoid- und Phytohormon-Biosynthesewegen hervorrufen. Tatsächlich konnte auf diese Weise die Biomasseverteilung und die abiotische Stresstoleranz (Licht-, Salz- und Trockenheitstoleranz) beeinflusst werden. Die Stoffwechselveränderungen führten zu einer Steigerung des Fruchtertrages um bis zu 77 % und zu einer 20-fachen Erhöhung des Provitamin-A-Gehaltes in den Früchten. Darüber hinaus trugen die Veränderungen im Gehalt an Schlüsselhormonen zu einer erhöhten abiotischen Stresstoleranz und einer verbesserten Haltbarkeit der Früchte bei. Den Wissenschaftler*innen ist es somit gelungen zu belegen, dass eine Änderung im Carotinoid-Stoffwechsel positive Auswirkungen sowohl auf den Ertrag als auch die Toleranz gegen Umweltfaktoren und die Nährstoffzusammensetzung hat. Dr. Moreno ist zuversichtlich: „Die Ergebnisse aus unserer Studie ebnen den Weg für die Entwicklung einer neuen Generation von Nutzpflanzen, die eine hohe Produktivität mit einer verbesserten Nährstoffzusammensetzung auf sich vereinen und zudem besser mit den durch den Klimawandel verursachten Umweltveränderungen zurechtkommen“.
URS