Dipeptide als Retter in der Not
Wie kleine Moleküle Pflanzen bei ihrer Stressbewältigung helfen
Ein Team von Wissenschaftler*innen um Dr. Aleksandra Skirycz - bis vor kurzem Gruppenleiterin am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie, nun Professorin am Boyce Thompson Institute (BTI) in den USA - hat in einer aktuellen Studie ein neuartiges regulatorisches kleines Molekül untersucht und beschrieben, das die Toleranz von Pflanzen gegenüber Umweltstress verbessert (Moreno et al., 2021, EMBO Journal).
Stress bei Pflanzen und seine Folgen
Pflanzen sind vielfältigen Stresssituationen ausgesetzt. Diese können biogener Art sein, also von einem anderen Organismus auf die Pflanzen wirken, wie z.B. Fressfeine oder Krankheitserreger. Sie können aber auch abiotischer Natur sein wie Hitze, Kälte, Trockenheit, Nährstoffmangel oder versalzte Böden. Bei Pflanzen führt Stress zu einer Beeinträchtigung des Wachstums oder wirkt sich auf die Fortpflanzungsfähigkeit aus. In der Landwirtschaft führt Stress zu Ertragseinbußen und Qualitätsminderungen der Ernte. Mit zunehmendem Klimawandel wird sich der Einfluss abiotischer Stressfaktoren auf Pflanzen verstärken. Daher ist es wichtig, zu untersuchen und zu verstehen, wie Pflanzen auf Stress reagieren und wie stressbedingte negative Auswirkungen auf Pflanzen minimiert oder verhindert werden können.
Eine häufige Folge von Stress, ob biotisch oder abiotisch, ist die Akkumulation von reaktiven Sauerstoffspezies (ROS). ROS-Radikale reagieren mit anderen Molekülen in den Zellen, einschließlich Membranen, Nukleinsäuren und Proteinen, und beeinträchtigen dadurch deren Funktion und verursachen erhebliche, oft irreversible Schäden. Lebende Organismen haben zahlreiche Mechanismen entwickelt, um ROS entgegenzuwirken. Pflanzen zum Beispiel akkumulieren eine Vielzahl von Verbindungen wie Carotinoide und Flavonoide, die ROS abfangen und damit "entschärfen". Eine andere kleinmolekulare Verbindung, die für die Aufrechterhaltung eines gesunden ROS-Spiegels sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren unerlässlich ist, ist der Cofaktor Nicotinamid-Adenin-Dinukleotid-Phosphat (NADPH). Strategien, die den NADPH-Spiegel erhöhen, verbessern die Stressresistenz und verlängern die Gesundheits- und Lebensspanne.
Neuartiger Mechanismus als Reaktion auf verschiedene Stresssituationen
Prof. Aleksandra Skirycz und ihrem Team ist es nun gelungen, einen neuartigen Mechanismus zu beschreiben, durch den Pflanzen die NADPH-Produktion als Reaktion auf verschiedene Stresssituationen anregen. Dieser Mechanismus beinhaltet eine niedermolekulare Verbindung, ein Dipeptid Tyr-Asp. Tyr-Asp wirkt, indem es den pflanzlichen Kohlenstoff-Stoffwechsel so moduliert, dass Glukose, ein universeller Baustein, in Richtung der Produktion von NADPH verschoben wird. Konkret greift Tyr-Asp in den Glukosestoffwechsel ein, indem es ein glykolytisches Schlüsselenzym, die Glyceraldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase (GAPC), hemmt und so die Glukose auf den Pentosephosphatweg (PPP) und die NADPH-Synthese umleitet. In Übereinstimmung mit den molekularen Daten verbesserte Tyr-Asp die Pflanzenresistenz gegenüber oxidativem und Salzstress.
"Bei dem kleinen Molekül, das wir identifizieren konnten, handelt es sich um das Dipeptid Tyr-Asp. Es wirkt als Stoffwechselregulator, indem es das NADPH/NADPH+-Verhältnis durch Umleitung des glykolytischen Flusses erhöht und damit die Stressresistenz der Pflanzen verbessert", beschreibt Dr. Skirycz ihre Forschungsergebnisse. Dipeptide sind Produkte des Proteinabbaus, die aus zwei Aminosäuren bestehen, die durch eine Peptidbindung verbunden sind. Obwohl die verschiedenen Dipeptide seit langem für ihre gesundheitsfördernden Aktivitäten bei Tieren bekannt sind, blieb ihre Wirkungsweise bisher anekdotisch. "Unsere Arbeit legte den Grundstein für das Verständnis der evolutionären Konservierung der Rolle von Dipeptiden bei der Regulierung des Stoffwechsels und ihres Potenzials zur Verbesserung der Gesundheit von Pflanzen und Tieren", erklären Dr. Aleksandra Skirycz und Dr. Juan C. Moreno, die Erstautoren der Studie.
URS