Jeff Schell Preis Verleihung 2020 unter Corona-Bedingungen
Doktorandin und Postdoktorand erhalten den mit jeweils 2.500 Euro dotierten Nachwuchswissenschaftler-Preis des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie
Aufgrund der Corona-Pandemie erhielten die beiden Preisträger ihre Preise und Urkunden im Rahmen der virtuellen Weihnachtsfeier des Instituts. Dr.Takuya Yoshida hielt seinen Vortrag im Institut, Anika Küken online. Die MitarbeiterInnen des Instituts waren gleichfalls über das Internet zugeschaltet.
Dr. Takuya Yoshida aus Japan erhält den Postdoktorandenpreis für seine Arbeiten im Bereich der pflanzlichen Hormone, hier speziell über das Hormon Abscisinsäure (abscisic acid – ABA).
Phytohormone sind von Pflanzen synthetisierte Stoffe, die schon in kleinen Mengen steuernd auf pflanzliche Entwicklungs- und Differenzierungsvorgänge einwirken, u. a. auf Keimung, Wachstum, Samenreife, Blattabwurf, Blütenbildung, Differenzierung und Verzweigung.
Dr. Yoshida widmet sich in seiner Forschung speziell der Abscisinsäure (ABA), einem Pflanzenhormon, das eine Vielzahl von zellulären und molekularen Prozessen reguliert. Es steht aber vor allem in einem engen Zusammenhang mit der Wasserverfügbarkeit. Auf Organebene erhalten trockene Samen über ABA eine Austrocknungstoleranz. Auf zellulärer Ebene kontrolliert ABA die Bewegung der Spaltöffnungen, die für die Transpiration und den Austausch von CO2 und O2 wichtig sind. Auf molekularer Ebene werden viele Gene, die auf Trockenheit reagieren, durch ABA-Signale reguliert. ABA reichert sich vor allem dann an, wenn in Samen oder Geweben Trockenstress besteht. Es wird allerdings angenommen, dass ABA nicht nur unter Stressbedingungen eine Rolle spielt, sondern auch unter stressfreien Bedingungen. So ist beispielsweise bekannt, dass der ABA-Spiegel in Tabakblättern schwankt während eines Tag-Nacht-Zyklus.
Dr. Yoshida ist in seiner Forschung der Frage nachgegangen, ob ABA auch am Pflanzenwachstum und am Primärmetabolismus unter stressfreien Bedingungen beteiligt ist. Mit Hilfe von Arabidopsis thaliana Mutanten, denen das Enzym fehlt, welches das ABA-Signal normalerweise reguliert, analysierte er, das Erscheinungsbild (Phänotyp) dieser Mutanten hinsichtlich Wachstum und Stoffwechsel. Dabei stellte Dr. Yoshida fest, dass die Pflanzen, die weniger oder gar kein ABA enthielten, eine erhöhte Blattzahl aufwiesen und sich das Stoffwechselprofil der Mutanten sehr stark von den Nicht-Mutanten, die in der Lage waren mehr ABA herzustellen unterschied. Dr. Yoshida konnte zeigen, dass der sogenannte TCA-Zyklus (Tricarbonsäure-Zyklus), der einen grundlegenden Stoffwechselprozess für die Produktion von Energie und Aminosäuren darstellt, bei niedrigeren ABA-Gehalten gestört war. Mit Hilfe der Mutanten konnte Aufschluss darüber gegeben werden, dass sie die Hormonsignalisierung mit dem Stoffwechsel zusammenhängt. Dr. Yoshida konnte durch seine Arbeiten zeigen, das ABA für die Aufrechterhaltung des Primärstoffwechsels und des Blattwachstums auch unter stressfreien Bedingungen beteiligt ist. Weiterführende Forschungen werden zeigen, ob ABA auch bei Nutzpflanzen, die auf bewässerten Feldern angebaut werden, eine Schlüsselrolle spielt.
Der Nachweis, dass ABA nicht nur ein Stresshormon ist, sondern auch unter nicht-Stressbedingungen eine wichtige Funktion für Pflanzen hat, ist bahnbrechend und brachte Dr. Yoshida seine Nominierung als Jeff Schell Preisträger ein. Prof. Fernie beschreibt Dr. Takuya Yoshida als: „überaus engagierten Wissenschaftler, der selbständig, unabhängig und umsichtig seine Forschung betreibt und die Rolle des Hormons ABA vollkommen neu definiert hat“.
Zur Person:
Dr. Takuya Yoshida ist in Tokio in Japan geboren und aufgewachsen. Er studierte zunächst im Bachelor an der "Tokyo University of Pharmacy and Life Sciences Biologie". Seinen Master und sein Doktorat absolvierte er an der "University of Tokyo" im Bereich angewandte biologische Chemie. Seit 2014 forscht er am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Alisdair Fernie, die sich mit dem zentralen Stoffwechsel beschäftigt.
Der diesjährige Doktoranden-Preis geht an Anika Küken für ihre Forschungen im Bereich Systembiologie und mathematische Modellierung
Der pflanzliche Stoffwechsel ist komplex! In Abhängigkeit von Entwicklungsstadium, Umweltfaktoren und Erbgutzusammensetzung werden innerhalb der Pflanze permanent verschiedene Inhaltsstoffe auf-, ab-, umgebaut und innerhalb der Pflanze von Orten der Entstehung zu Orten des Bedarfs transportiert. Forscher wollen dieses dynamische Netzwerk verstehen um neue Erkenntnisse über biologische Funktionen zu gewinnen und Vorhersagen über pflanzliche Eigenschaften zu treffen. Um diesem Ziel näher zu kommen, erheben Wissenschaftler riesige Datensätze über Inhaltsstoffe, ihre Konzentrationen und deren zeitlicher Entwicklung um u.a. durch Simulation und Analyse von Stoffwechselflüssen Modelle zu entwickeln, die die Vorhersage von Entwicklungen ermöglichen. Trotz der Verbesserungen solcher Modellierungsansätze ist es bisher nicht möglich Vorhersagen über Konzentrationen einzelner Metabolite zu machen. In der Veröffentlichung, für die Anika Küken nun geehrt wurde, wird ein neuer rechnerischer Ansatz zur Ableitung von Konzentrationsbereichen aus Stoffwechselmodellen präsentiert. Die Ergebnisse spezifizieren einen molekularen Mechanismus, der eine einfache Kontrolle der Konzentrationsbereiche von Komponenten in großen metabolischen Netzwerken ermöglicht. Der Ansatz, der in der ausgezeichneten Arbeit vorgestellt wird, stellt einen wichtigen Schritt dar, um die Anwendbarkeit genomweiter Stoffwechselmodelle auf eine Reihe von biotechnologischen und medizinischen Anwendungen zu erweitern.
In seinem Nominierungsschreiben für den Preis hebt ihr Doktorvater Prof. Nikoloski besonders hervor: „Im Rahmen ihrer Doktorarbeit, trug Anika zur Veröffentlichung von acht Artikeln bei, darunter zwei Rezensionen und sechs Forschungsartikel, die in führenden Zeitschriften auf dem Gebiet der rechnergestützten Biologie und Pflanzenbiologie erschienen sind, einschließlich Nature Communications, eLife, PLoS Computational Biology und Plant Physiology. Die Grundlage für ihre Nominierung ist der Forschungsartikel "Cellular determinants of metabolite concentration ranges", der in PLoS Computational Biology veröffentlicht und in einem kürzlich genehmigten Patent mündete. Prof. Nikoloski lobt seine ehemalige Doktorandin darüber hinaus als starke, unabhängige Wissenschaftlerin. „Ich bin überzeugt, dass Anika Küken auf dem Weg ist, große Erfolge in der computergestützten Biologie zu erzielen“, so Prof. Nikoloski.
Zur Person:
Anika Küken ist in Potsdam geboren und im nahegelegenen Werder (Havel) aufgewachsen. Sie absolvierte ihr Bachelor Studium an der Humboldt Universität zu Berlin und ihren Masterstudiengang an der Universität Potsdam. Ihre Doktorarbeit, aus der die Veröffentlichung hervorgegangen ist, für die Anika Küken nun den Jeff Schell Preis erhalten hat, wurde in der Arbeitsgruppe von Prof. Zoran Nikoloski erstellt. Prof. Nikoloski leitet an der Universität Potsdam die Universitätsgruppe Bioinformatik am Institut für Biochemie und Biologie, ist aber mit einer kooperativen Forschungsgruppe zum Thema „Systembiologie und mathematische Modellierung“ am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie vertreten ist.
Die Auszeichnung der beiden Wissenschaftler*innen wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende der BASF.
Jeff Schell, der Namensgeber des Preises, revolutionierte die Pflanzenforschung
Der Namensgeber des Preises ist der belgische Molekularbiologe Jozef Stefaan (Jeff) Schell (1935 – 2003). Er studierte Zoologie und Mikrobiologie an der Universität in Gent, wo er von 1967 bis 1995 als Professor arbeitete. Von 1978 bis 2000 war er Direktor und Leiter der Abteilung „Molekulare Grundlagen der Pflanzenzüchtung“ am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln.
Schell war einer der Pioniere der Biotechnologie. Ihn interessierten als Mikrobiologen die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bodenbakterien. Bei seinen Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung pflanzlicher Tumoren zeigte sich, dass das im Boden weit verbreitete Agrobacterium tumefaciens Gene auf Pflanzen übertragen kann. In der Folge führten diese Forschungsergebnisse dazu, dass mit Hilfe dieses Bakteriums gezielt Gene in Pflanzen eingeschleust werden können.
Das Verfahren zur Transformation von Pflanzen hat seither die Pflanzenforschung revolutioniert, da mit seiner Hilfe die Funktion von Genen bestimmt werden kann und so die Pflanzenforscher weltweit die Möglichkeit haben, Stoffwechselabläufe, pflanzliches Wachstum und pflanzliche Entwicklung besser zu verstehen.
URS