Jeff Schell Preise für hervorragende Forschung  vergeben

Geehrt wurden in diesem Jahr vom Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie Nachwuchswissenschaftler aus Pakistan und China

24. Mai 2019
Die Preise wurden am 23. Mai 2019 im Rahmen eines wissenschaftlichen Kolloquiums übergeben, das anlässlich des 25-jährigen Institutsjubiläums abgehalten wurde. Der Postdoktorandenpreis ging an den Chinesen Dr. Guo-Zhang Wu, der Doktorandenpreis an Umarah Mubeen aus Pakistan  

Dr. Guo-Zang Wu erhält den Preis für den Nachweis eines für die innerzelluläre Kommunikation bei Pflanzen wichtigen Faktors zur Stressbewältigung

Menschen und Säugetiere besitzen Gehirn, Nervensystem und Blutkreislauf, die die Steuerzentrale, Sensoren und Informationsbahnen darstellen, über die kommuniziert wird und die dafür sorgen, dass Aktionen in Gang gesetzt werden. Pflanzen besitzen diese Komponenten nicht. Wie nehmen sie dann aber beispielsweise unvorteilhafte oder gar lebensbedrohliche Umweltbedingungen wahr, und wie können sie Abwehrsysteme und Schutzmechanismen in Gang setzen? Ihre internen Kommunikationswege sind vielfältig. Eine Kommunikationsebene besteht zwischen dem Zellkern, in dem das Erbgut lokalisiert ist, und den Organellen, die Plastiden und Mitochondrien genannt werden und gleichfalls Erbinformation besitzen. Der pflanzliche Zellkern stellt die zelluläre Schaltzentrale dar, in der die überwiegende Anzahl der Erbeigenschaften verschlüsselt vorliegt. Die Organellen sind vor allem für die zelluläre Energiegewinnung durch Photosynthese und Atmung zuständig. Sie können Signale an den Zellkern senden, um die Bildung von Proteinen in Gang zu setzten, die unter anderem den Aufbau des Photosyntheseapparates und die Biosynthese von Chlorophyll in den Chloroplasten ermöglichen. Das Vorhandensein solcher Signale, wurde bereits vor mehr als 30 Jahren angenommen. Sie konnten aber bisher nicht nachgewiesen werden bzw. ihre molekulare Identität konnte nicht aufgeklärt werden.

Die besondere Leistung von Dr. Guo-Zang Wu liegt darin, dass er erstmalig aufzeigen konnte, wie diese Art von Kommunikation zwischen Zellkern und Organellen tatsächlich funktioniert. Er konnte belegen, dass in den Plastiden das sogenannte GUN1-Protein existiert, das eine zentrale Rolle dabei spielt, dass im Zellkern Proteine gebildet werden, die dann in die Chloroplasten importiert werden, um Stresssituationen entgegenzuwirken. Um diesen Nachweis zu führen, entwickelte Dr. Wu eine Reihe neuer biochemischer und zellbiologischer Ansätze, um das GUN1-Protein identifizieren und nachweisen zu können. Das Problem bestand darin, dass dieses Protein außergewöhnlich instabil ist, weshalb es nur in sehr geringen Konzentrationen in den grünen Blättern vorhanden ist, wie er in einer früheren Arbeit zeigte. In der aktuellen Arbeit kamen Pflanzen zum Einsatz, die das GUN1-Protein nicht bilden können. Die Folge davon ist, dass bei diesen Pflanzen nicht genügend Proteine in die Chloroplasten transportiert werden können. Damit der fehlende Protein-Abtransport aus dem Zellkern in die Chloroplasten nicht zu Zellschäden führt, schalten diese Pflanzen Gene für Stressproteine an. Die Erkenntnisse aus dieser Arbeit eröffnen neue Möglichkeiten, die Anpassung von Nutzpflanzen an ungünstige Umweltbedingungen zu verbessern.

Zur Person

Dr. Guo-Zang Wu erlangte seinen Bachelor in Biologie an der renommierten Shaanxi Normal University in Shanghai. Seinen Doktorgrad erhielt er in Genetik am Shanghai Institute of Plant Physiology and Ecology im Jahr 2010. Seit September 2011 forscht Herr Wu als PostDoc am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in der Abteilung von Prof. Dr. Ralph Bock. Er kam mit einem Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung an das MPI-MP. Prof. Bock, Direktor der Abteilung Organellenbiologie, Biotechnologie und molekulare Ökophysiologie stellt begeistert fest: „Die vorliegende Arbeit von Dr. Wu stellt einen echten Durchbruch dar. Nach 25 Jahren konnte endlich die molekulare Funktion von GUN1 aufgeklärt werden. Die Forschungsergebnisse von Dr. Wu verändern die Sicht auf die intrazelluläre Kommunikation vollkommen.“ So überrascht es nicht, dass Dr. Guo-Zang Wu eine Reihe sehr attraktiver Stellenangebote erhalten hat und er zu unserem Bedauern voraussichtlich im Sommer das MPI-MP verlassen wird.

 

Der Doktorandenpreis geht an Umarah Mubeen aus Pakistan für die Untersuchung eines Proteinkomplexes, der an der Regulation von Wachstumsprozessen beteiligt ist.

TOR ist die Abkürzung für ein in Tieren, Pilzen und Pflanzen vorkommendes Protein, das ein zentraler Regulator des Wachstums und des Stoffwechsels in allen eukaryotischen Organismen ist. TOR bedeutet „Target of Rapamycin“. Obwohl die TOR-Signalübertragung bei verschiedenen Tieren und Pflanzen gut charakterisiert ist, ist über die regulatorische Funktion von TOR im Wachstum von photosynthetischen Organismen noch wenig bekannt. Umarah Mubeen führte ihre Untersuchungen an der einzelligen Grünalge Chlamydomonas reinhardtii durch. Die Alge ist ein zentraler Modellorganismus für die Untersuchung entwicklungsbiologischer und physiologischer Prozesse höherer Pflanze. Ziel der Forscherin war es, die Auswirkungen einer Hemmung von TOR auf molekulare und physiologische Merkmale zu untersuchen. Hierfür führte sie zeitaufgelöste Analysen über den gesamten Tageszyklus durch und stellte fest, dass das Wachstum um 50% unterdrückt und der Verlauf des Zellzyklus verzögert wird. Mit Hilfe von Stoffwechselanalysen konnte aufgezeigt werden, dass es zu einer schnellen Umverteilung von Kohlenstoff kommt und das bereits innerhalb von wenigen Minuten nach der TOR-Hemmung. Hinzu kam, dass vor allem stickstoffreiche Verbindungen, wie Aminosäuren, angereichert wurden. TOR scheint somit dafür verantwortlich zu sein, das Kohlenstoff-Stickstoff-Gleichgewicht zu steuern, wodurch es die Bildung von Biomasse, das Wachstum und den Zellzyklus steuert.

Zunächst lag die Vermutung nahe, dass die Anreicherung von Aminosäuren auf einen Abbau von nicht-benötigten Proteinen oder auf eine reduzierte Proteinsynthese zurückzuführen ist. Mit Hilfe eines analytischen Ansatzes konnte Mubeen allerdings nachweisen, dass dies nicht der Grund ist. Sie nutzte stabile Isotope, um den Transport, Auf- und Abbau von Inhaltsstoffen nach der TOR-Stilllegung zu verfolgen, was es ihr ermöglichte, die Aminosäure-Ansammlung nachzuvollziehen. Diese beruhte, entgegen vorheriger Annahmen, auf einer gesteigerten Stickstoffaufnahme. Demzufolge werden die Aminosäuren direkt in der Zelle neu gebildet, ein überraschendes Ergebnis, da die Bildung von Aminosäuren Energie kostet.

Da TOR in verschiedensten Tieren und Pflanzen vorkommt, wird die weitere Arbeit zur Funktionsaufklärung in der Alge Chlamydomonas dazu beitragen, eine Wissenslücke zwischen Hefe, Säugetieren und photosynthetischen Organismen zu schließen und somit die Wachstumsregulation in verschiedensten Eukaryoten zu verstehen.

 

Zur Person

Umarah Mubeen studierte Botanik, Zoologie und Chemie an der University of Punjab, Lahore in Pakistan. Nach ihrem Bachelor of Science im Jahr 2005 legte sie ihren Master of Science in Botanik am Forman Christian College in Lahore im Jahr 2007 ab und einen Master of Science in Industrieller Biotechnologie im Jahre 2010. Sie kam 2014 an das MPI-MP für ein Praktikum, finanziert über das „Green Talent“-Stipendium des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Das Praktikum absolvierte sie so erfolgreich, dass sie im Anschluss daran im Rahmen der International Max Planck Research School (IMPRS) eine Stelle als Doktorandin erhielt. Ihr Doktorvater Dr. Patrick Giavalisco, Arbeitsgruppenleiter der Forschungsgruppe Experimentelle Systembiologie, lobt seine Doktorandin für „ihre große Leidenschaft für die Pflanzenforschung, die oft in fruchtbare wissenschaftliche Diskussionen mündeten, die neue Perspektiven aufzeigten, nicht nur für ihr eigenes Forschungsthema, sondern auch für Themen der anderen Mitarbeiter*innen der Arbeitsgruppe, was sie zu einem sehr innovativen Mitglied der Gruppe machte. Sie ist eine sehr talentierte und engagierte Wissenschaftlerin, die sehr selbständig und unabhängig ihre wissenschaftlichen Projekte durchführte.“

Die Auszeichnung der beiden Wissenschaftler*innen wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende der BASF.

Jeff Schell, der Namensgeber des Preises, revolutionierte die Pflanzenforschung

Der Namensgeber des Preises ist der belgische Molekularbiologe Jozef Stefaan (Jeff) Schell (1935 – 2003). Er studierte Zoologie und Mikrobiologie an der Universität in Gent, wo er von 1967 bis 1995 als Professor arbeitete. Von 1978 bis 2000 war er Direktor und Leiter der Abteilung „Molekulare Grundlagen der Pflanzenzüchtung“ am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln.

Schell war einer der Pioniere der Biotechnologie. Ihn interessierten als Mikrobiologen die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bodenbakterien. Bei seinen Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung pflanzlicher Tumoren zeigte sich, dass das im Boden weit verbreitete Agrobacterium tumefaciens Gene auf Pflanzen übertragen kann. In der Folge führten diese Forschungsergebnisse dazu, dass mit Hilfe dieses Bakteriums gezielt Gene in Pflanzen eingeschleust werden können.

Das Verfahren zur Transformation von Pflanzen hat seither die Pflanzenforschung revolutioniert, da mit seiner Hilfe die Funktion von Genen bestimmt werden kann und so die Pflanzenforscher weltweit die Möglichkeit haben, Stoffwechselabläufe, pflanzliches Wachstum und pflanzliche Entwicklung besser zu verstehen.

                                                                                                                                                                             URS/UG

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