Klimawandel macht Pflanzen zu schaffen

Reispflanzen sind warmes Klima gewöhnt, doch die ungewöhnlich stark ansteigenden Nachttemperaturen machen ihnen zu schaffen. Gleichzeitig gibt es bei anderen Getreidesorten und Obstbäumen Ernteausfälle, wenn ein zu milder Winter von plötzlichem Frühjahrsfrost eingeholt wird. Dirk Hinchas Arbeitsgruppe will herausfinden, wie sich Pflanzen gegen die Klimaveränderungen wappnen lassen.

Nicht nur Menschen machen heiße Nächte zu schaffen, auch die Pflanzen leiden. Während wir uns bei 28°C schwitzend und ruhelos im Bett wälzen, hat der klimawandelbedingte Anstieg der Nachttemperaturen, die ungleich stärker steigen als die Tagestemperaturen, auch großen Einfluss auf das Wohlergehen von Pflanzen. „Asymmetrische globale Erwärmung“ lautet das Fachwort für dieses Klimaphänomen.

Der Reis (Oryza sativa), immerhin Grundnahrungsmittel für zwei Drittel der Menschheit, quittiert die hohen Nachttemperaturen mit vermindertem Korngewicht und geringerem Stärkegehalt in den Körnern, insgesamt also: einem Ernteausfall. Warum die warmen Nächte sich bei manchen Sorten so negativ auswirken, darüber kann zurzeit nur spekuliert werden. Die gängigste Theorie haben Forscher um Dr. Dirk Hincha vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie nun widerlegt.

 

„Bisher ging man davon aus, dass durch die erhöhte Nachttemperatur der Stoffwechsel der Pflanzen weiterhin auf Hochtouren läuft und die Pflanzen ihren Zucker verbrennen, den sie im Laufe des Tages durch Photosynthese produziert haben“, erklärt Hincha. Nach diesem Modell würden sich die Pflanzen in warmen Nächten sozusagen zu Tode atmen bis kein Zucker mehr da ist. Doch so scheint es nicht zu sein, die Theorie ließ sich experimentell nicht bestätigen.

„Wir wollen von den toleranten Pflanzen lernen, wie sich warme Nächte aushalten lassen“

„Unser Ziel ist es jetzt natürlich, Stoffwechselprodukte und Gene zu identifizieren, anhand derer sich vorhersagen lässt, wie eine Pflanze auf die hohen Nachttemperaturen reagieren wird“ erklärt Ellen Zuther, die dieses Forschungsprojekt in der Arbeitsgruppe leitet. Denn sind erst diese sogenannten molekularen Marker bekannt, lässt sich die Toleranz gegen nächtlichen Temperaturanstieg viel einfacher in andere Sorten einkreuzen.

Bevor Hincha und Zuther das Thema vor sechs Jahren auf die Agenda ihrer Arbeitsgruppe setzten, gab es noch fast keine Forschung geschweige denn Veröffentlichungen zu diesem Thema. Inzwischen beschäftigen sich einige Arbeitsgruppen damit, ihren Reis besser auf den Klimawandel vorzubereiten.  Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei das International Rice Research Institute (IRRI) auf den Philippinen, mit dem eine enge Zusammenarbeit besteht.

Doch nicht nur für die Folgen der asymmetrischen globalen Erwärmung müssen Landwirte gewappnet sein, auch ein plötzlicher und unerwarteter Kälteeinbruch kann ihnen die ganze Ernte zerstören. In Europa und Amerika werden statt Reis vorrangig Weizen, Roggen und Gerste angebaut. Es handelt sich hauptsächlich um Wintergetreide, die im Herbst ausgesät werden. Nach der Keimung gehen die kleinen grünen Halme in eine Ruhephase über, bevor sie im Frühjahr weiterwachsen.

Ein plötzlicher Kälteeinbruch kann zum Totalausfall auf dem Getreidefeld führen

Normalerweise akklimatisieren sich die Pflänzchen im Verlauf des Winters und die kalten Temperaturen können ihnen nichts anhaben. Bleiben die Winter jedoch mild mit Temperaturen, die fast nie unter den Gefrierpunkt sinken, haben die Pflanzen eine Umstellung ihres Stoffwechsels auf „Kaltzeit“ gar nicht nötig. Das böse Erwachen kommt, wenn dann doch noch wie in diesem Jahr ein unerwarteter Kälteeinbruch übers Land schwappt. Im Februar sank das Quecksilber plötzlich unter ‑18°C, die unvorbereiteten Pflanzen erfroren.

Damit sich dieses Szenario nicht wiederholt, arbeitet Dirk Hinchas Arbeitsgruppe außerdem daran, die Mechanismen für Kältetoleranz zu entschlüsseln. Durch den Vergleich verschiedener Ökotypen der Modellpflanze Arabidopsis thaliana wollen die Forscher herausfinden, was genau bei der Akklimatisierung eigentlich passiert. Sie benutzen dafür Arabidopsis-Linien von den unterschiedlichsten Orten der Welt; ihre Studienobjekte kommen aus der russischen Taiga und dem Mittelmeerraum und landen allesamt in den Kältekammern des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie.

 „Wir setzen die Pflanzen unter Kältestress um zu sehen, welche Gene dabei vermehrt abgelesen werden und inwiefern der Stoffwechsel sich verändert“ beschreibt Hincha die Suche nach den pflanzlichen Frostschutz-Molekülen. Eine erste Fährte, nämlich die unterschiedlichen Zuckergehalte im Zellsaft, die ein Einfrieren verhindern könnten, hat sich als falsch herausgestellt. Unter den kältetoleranten Pflanzen befinden sich sowohl zuckerreiche als auch zuckerarme. Dafür scheint es in der Gruppe der Flavonoide aussichtsreiche Kandidaten zu geben.

Inzwischen sind auch große Firmen in den USA und Kanada auf diesem Forschungsgebiet aktiv um ihre Getreideernten zu schützen. Der nächste Schritt könnten frostresistente Obstbäume und Beerensträucher sein. Doch vorerst geht die Suche weiter nach wärme- und kältetoleranten Sorten und den Molekülen, die dafür verantwortlich sind.

[CS]

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