Neue Forschungsgruppen am MPI-MP erforschen wie Pflanzen sich gegen Virusinfektionen verteidigen.

Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie heißt mit Dr. Marion Clavel und Dr. Marco Incarbone gleich zwei neue unabhängige Forschungsgruppenleitungen willkommen!
 

3. August 2023

Mit den beiden neuen Forschungsruppen „Virusreplikation und Pflanzentoleranz“ und „Antivirale Immunität der Pflanzenkeimbahn“ erweitert das Institut seinen Forschungshorizont in Richtung von Pflanzeninteraktionen mit Viren.
 

Auch Pflanzen werden krank

So, wie wir können auch Pflanzen mit Viren infiziert werden und erkranken. Da kranke Pflanzen geringere Erträge liefern, verursachen Viruskrankheiten jedes Jahr massive Schäden in der Landwirtschaft. Um Pflanzen züchten zu können, die besser gegen Virusinfektionen gewappnet sind, muss man verstehen, wie Viren Pflanzen infizieren, und über welche Abwehrmechanismen Pflanzen verfügen, um sich gegen eine Infektion zu wehren. Viren sind eigentlich recht einfach aufgebaut. Sie bestehen im Wesentlichen aus genetischem Material, d. h. aus einem oder mehreren DNA- oder RNA-Stücken. Die DNA ist in einer Proteinhülle verpackt, wie in einer kleinen Kapsel. Wenn ein Virus eine Pflanzenzelle infiziert, programmiert das genetische Material des Virus die Pflanzenzelle um. Anstatt Proteine für das Pflanzenwachstum zu produzieren, wird die Zelle zu einer Fabrik für Viruskapseln und für das genetische Material des Virus. Die neu hergestellten Viren infizieren dann andere Zellen, und das Virus breitet sich in der gesamten Pflanze aus. Viren sind Experten darin, Zellen zu kapern. Sie reorganisieren viele zelluläre Prozesse komplett neu, um sich zu vermehren. All diese Veränderungen in den Zellen haben schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und Lebenserwartung von Pflanzen.

Pflanzenzellen können Viren erkennen und sich verteidigen

Die Pflanzen sind aber nicht wehrlos. Infizierte Pflanzenzellen merken, wenn sich ein Virus an ihnen zu schaffen macht. In einigen Fällen setzen die Zellen dann einen programmierten Selbstzerstörungsmechanismus in Gang, um die Ausbreitung der Infektion zu verhindern. Schließlich können sich Viren ohne eine Wirtszelle nicht vermehren. Bereiche solcher toten Zellen werden dann meist als Flecken auf den Pflanzen sichtbar. Pflanzen haben aber auch Möglichkeiten, den von einem Virus verursachten Schaden zu begrenzen. Ein solcher Mechanismus ist die Autophagie. Die Pflanzenzelle setzt Mechanismen in Gang, die unerwünschte Proteine in der Zelle einfangen und verdauen. Pflanzen, die keine Autophagie betreiben können erkranken daher schlimmer, als normale Pflanzen. Wie Viren die Autophagie in Pflanzen auslösen und wie die Zelle erkennt, welche Proteine verdaut werden müssen und welche nicht, ist noch völlig unbekannt und Forschungsschwerpunkt von Marion Clavels Gruppe.
"Ich möchte die molekularen Mechanismen entschlüsseln, die Autophagie im Zusammenhang mit Virusinfektionen steuern und bisher unbekannte Angriffspunkte für die Viren aufdecken, die für die Züchtung infektionsresistenter Pflanzen genutzt werden könnten", sagt Marion Clavel.


Das Rätsel der gesunden Pflanzenkinder

Pflanzen haben noch eine weitere Barriere gegen Viren entwickelt. Diese greift während der Vermehrung und der Samenentwicklung. Viren befallen sehr effizient Zellen der Pflanze in Trieben oder Blättern. Aus noch völlig ungeklärten Gründen infizieren sie jedoch nur selten die lebenswichtigen Stammzellen, aus denen sich an der Spitze der Sprosse neues Gewebe bildet. Darüber hinaus können viele Viren keine Keimzellen und Embryonen von Pflanzen in den Samen infizieren, was einer der Gründe dafür ist, dass viele infizierte Pflanzen trotzdem gesunde Nachkommen haben. Das ist besonders bemerkenswert, da die Fortpflanzungszellen aus dem Stammzellen hervorgehen. Es könnte also sein, dass hier gleich eine ganze Reihe zusammenhängender und hoch wirksamer antiviraler Mechanismen am Werke ist, die noch völlig unerforscht sind.

„Es ist erstaunlich, wie Lebewesen so komplexe und atemberaubende molekulare Maschinen entwickelt haben, die in einem mikroskopischen Tanz interagieren, der sich bis heute völlig unserem Verständnis entzieht.“, findet Marco Incarbone.

 

Geteilte Leidenschaft

Ihre gemeinsame Faszination für Pflanzenviren führte die beiden Wissenschaftler bereits am Institut de Biologie Moléculaire des Plantes der Universität Straßburg zusammen. Beide hatten dann das Glück, sich am Gregor-Mendel-Institut für Molekulare Pflanzenbiologie in Wien wiederzutreffen, und das MPI-MP ist begeistert, dass es gleich zwei Experten auf diesem Forschungsgebiet gewinnen konnte. "Man könnte sagen die Sterne standen einfach gut, als sich zwei Stellen für unabhängige Forschungsgruppenleiter am MPI-MP auftaten, die einfach perfekt zu unseren Karrieren gepasst haben. Ich denke aber es zeigt auch, dass das MPI-MP sich der Belastungen bewusst ist, die eine wissenschaftliche Laufbahn an die sozialen und familiären Beziehungen von Forschenden stellt.  Ich habe zuvor in Frankreich und Österreich gearbeitet. Deutschland und insbesondere die Max-Planck-Gesellschaft bieten einen ausgezeichneten Zugang zu technischen Einrichtungen, gute Möglichkeiten für Drittmittelförderung und zur Vernetzung. Ich kann es kaum erwarten, all dies nutzen zu können", so Marion Clavel.

TL

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