Potsdamer Pflanzenwissenschaftler erhalten Jeff Schell Preis für herausragende Forschungsleistungen

Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie zeichnet in diesem Jahr exzellente Nachwuchswissenschaftler für ihre Forschung an mobilen Genscheren und an der Vererbung von Plastiden aus.

30. Juni 2023

Der mit 2500€ dotierte Jeff Schell Preis des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie wird jährlich in einer feierlichen Zeremonie am Max-Planck-Campus in Golm übergeben. Das Institut ehrte am 28. Juni 2023 die zwei jungen Wissenschaftler Dr. Lei Yang und Dr. Kin Pan Chung für ihre exzellenten Forschungsarbeiten.
 

Dr. Lei Yang entwickelte eine neue Methode um mithilfe mobiler Genscheren genetisch veränderte Pflanzen in nur einer Generation zu erstellen, die von klassisch gezüchteten Pflanzen nicht zu unterscheiden sind.

Die sogenannte Genschere CRISPR/Cas hat in den letzten Jahren die biologische Forschung enorm vorangebracht. Angesichts des voranschreitenden Klimawandels und der damit einhergehenden Anforderung für die Züchtungsforschung, Sorten zu generieren, die mit den veränderten Umweltbedingungen schritthalten, ist das auch dringend nötig.
Mit Hilfe der Genschere ist es möglich gezielt Genveränderungen in Pflanzen herbeizuführen. Allerdings hat diese Methode den Nebeneffekt, dass Selektionsmarker und die DNA Sequenz der Genschere selbst in die DNA der Pflanze eingebracht werden müssen. Die Pflanze enthält nach dem Prozess also fremde DNA Bestandteile, die aufwändig und zeitraubend über viele Generationen wieder aus den Pflanzen herausgekreuzt werden müssen. Das verhindert die Anwendung dieser Methode für die Zucht von Pflanzen, die lange Generationszeiten haben, wie z.B. Weinreben oder Obstbäume.
 

Eine Genschere lernt wandern
Dr. Yang hat maßgeblich zur Entwicklung eines neuen Verfahrens beigetragen, das die CRISPR/Cas Methode für solche Pflanzen rasant beschleunigen kann, da das auskreuzen der fremden DNA aus der genveränderten Pflanze entfällt. Sie wird dort nämlich gar nicht erst eingebaut.

Dazu nutzt Dr. Yang zwei verschiedene Pflanzen. Die erste Pflanze ist ganz klassisch genetisch verändert und enthält, wie üblich, den Bauplan einer Genschere in Form von DNA in ihren Zellkernen. Normalerweise wird dieser Bauplan in RNA als kurzlebige Transportform übersetzt, mit deren Hilfe dann im Zellplasma der Pflanzenzelle die funktionierende Genschere zusammengebaut wird. Die fertige Genschere verändert schließlich an einer bestimmten Stelle im Zellkern die DNA der Pflanze.

Die Genschere von Dr. Yang ist aber besonders. Sie ist so gestaltet, dass ihre RNA Transportform nicht nur in der Zelle bleibt, wo sie entsteht. Stattdessen wird sie durch die gesamte Pflanze von der Wurzel, bis in die Blüten transportiert.

Eine Fusion modernster Gentechnik mit traditioneller Pflanzenveredelung
Jetzt bedient sich Dr. Yang einer uralten Veredelungstechnik, die bei Weinreben und Obstbäumen schon seit Jahrtausenden eingesetzt wird. Dem Pfropfen. Dabei werden zwei Pflanzen miteinander kombiniert, indem der Spross der einen Pflanze auf die Wurzel der anderen transplantiert wird. Die beiden Teile wachsen wieder zusammen und es entsteht eine Mischpflanze mit Wurzel und Spross von verschiedenen Individuen. 
Wenn Dr. Yang den Spross einer zweiten, genetisch nicht veränderten Pflanze, auf die Wurzeln der Pflanze mit seiner wandernden Genschere propft, wandert der RNA Bauplan der Genschere bis in die Blüten der nicht veränderten Pflanze. Dort wird die Genschere dann zusammengebaut und verändert die DNA der entstehenden Samen. 

Die Genschere kommt nicht mit in die DNA der Samen
Da nur die kurzlebige RNA der Genschere wandert, nicht aber die DNA der Genschere aus dem Zellkern, wird die DNA der Genschere nie in die Samen der Pflanze eingebaut. Die nächste Generation trägt also sofort die gewünschte Genveränderung, aber keine fremde DNA in sich. Dadurch ist diese Pflanze von konventionell gezüchteten Pflanzen nicht zu unterscheiden. 

Das von Dr. Yang maßgeblich mitentwickelte Verfahren ist ein Durchbruch für die Pflanzenzüchtung, insbesondere für Pflanzen in denen Züchtungserfolge aufgrund der langen Generationszeiten normalerweise Jahrzehnte auf sich warten lassen. Seit er im Jahr 2013 als Doktorand zu meiner Arbeitsgruppe stieß, hat Herr Yang unsere Forschung mit viel Einsatz, großartigen Ideen und exzellenten Fähigkeiten im Labor vorangetrieben. Ich zähle Lei Yang zu den besten Doktoranden und Postdocs mit denen ich die Ehre hatte arbeiten zu dürfen“, so Dr. Friedrich Kragler, Leiter der Arbeitsgruppe Interzellulärer Makromolekularer Transport über seine Zusammenarbeit mit Dr. Lei Yang.


Über Dr. Lei Yang
Dr. Lei Yang studierte bis 2013 in China, an der Hebei Agriculture University, und am Center for Agricultural Resources Research, Institute of Genetics and Developmental Biology, University of Chinese Academy of Sciences. Seit 2013 forscht er am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in der Arbeitsruppe von Dr. Friedrich Kragler an mobiler RNA und am Transport von großen Molekülen in Pflanzen.

 

Dr. Kin Pan Chung konnte die allgemeine Annahme wiederlegen, dass die Solarkraftwerke der Pflanzen, die Chloroplasten, nur von der Mutter vererbt werden.

Pflanzen betreiben in Ihren Zellen Photosynthese mithilfe von Chloroplasten und nutzen Mitochondrien, um die mithilfe der Photosynthese gespeicherte Energie für die Zellen verfügbar zu machen. Diese Chloroplasten und Mitochondrien stammen ursprünglich von Bakterien ab, die bereits seit mehr als einer Milliarde Jahren eine Lebensgemeinschaft mit Pflanzenzellen bilden und heute untrennbar mit den Zellen aller höheren Pflanzen verflochten sind. Aufgrund ihrer Herkunft haben beide auch heute noch eigenes Erbgut, welches maßgeblich die Eigenschaften einer Pflanze mitbestimmt. 

Das Erbgut von Chloroplasten und Mitochondrien wird im Gegensatz zum Erbgut im Zellkern der Pflanzen nicht gleichmäßig von Vater und Mutter an die Nachkommen weitergegeben. Stattdessen wird es  ausschließlich von der Mutter weitervererbt. So dachte man zumindest bis vor kurzem.

Neue Methode erlaubt es väterlich und mütterlich vererbte Chloroplasten zu unterscheiden
Dr. Chung konnte zeigen, dass Chloroplasten bei kalten Temperaturen durchaus auch vom Vater weitergegeben werden können. Dazu stellten er und seine Kolleg*innen gentechnisch veränderte Vaterpflanzen her, deren Chloroplasten resistent gegen ein Antibiotikum sind. 
Diese Vaterpflanzen würden bei kühlen Temperaturen angezogen und dann mit Mutterpflanzen gekreuzt, die unveränderte Chloroplasten enthielten. Die Samen aus dieser Kreuzung keimten auf einem Nährmedium, mit dem entsprechenden Antibiotikum, auf dem nur väterliche Chloroplasten überleben konnten. Pflanzen mit Chloroplasten, die vom Vater vererbt wurden erschienen daher grün, während alle Pflanzen mit mütterlich vererbten Chloroplasten ausblichen. 

Eine erhöhte Chance auf Vaterschaft
Da die väterliche Vererbung sehr selten ist, mussten Dr. Chung und seine Kolleg*innen fast 4 Millionen Pflänzchen überprüfen, um festzustellen, dass der Anteil der väterlich vererbten Chloroplasten bei kalten Temperaturen rund 150 mal höher ist, als bei normaler Temperatur. In weiteren Experimenten konnte Dr. Chung schließlich ein Enzym identifizieren, was daran beteiligt ist die väterliche Vererbung von Chloroplasten unter normalen Bedingungen zu blockieren. Ohne dieses Enzym und unter kalten Bedingungen tragen 2-3% der Nachkommen väterliche Chloroplasten, was tausend mal häufiger ist als normal.

Für Züchter eröffnen sich ganz neue Welten, wenn sie Umweltbedingungen nutzen können, um Chloroplasten auch vom Vater weiterzuvererben. Es scheint jetzt erstmals möglich Chloroplasten und Mitochondrien getrennt voneinander zu vererben. Das war bisher unerreichbar, solange beide einfach immer nur von der Mutter weitergegeben wurden. Eine ganze Reihe anderer Arbeitsgruppen haben jahrzehntelang erfolglos versucht erste Schritte in Richtung der molekularen Mechanismen zu gehen, die die Vererbung von Chloroplasten und Mitochondrien steuern. Pan ist derjenige der letztlich den Durchbruch geschafft hat! Er ist pfiffig, hoch motiviert und ein brillianter Wissenschaftler, jemand der immer dranbleibt, egal welches Problem als nächstes auf eine Lösung wartet. Ein Wissenschaftler ganz im Geiste Jeff Schells“, Prof. Ralph Bock, Leiter der Arbeitsgruppe Organellenbiologie, Biotechnologie und molekulare Ökophysiologie.

Ich bin sehr glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte, an diesem Projekt zu arbeiten. Die Entdeckung, die wir gemacht haben, ist natürlich aufregend. Aber unsere Arbeit ist auch ein Beispiel für umfassende wissenschaftliche Zusammenarbeit. Die beiden anderen Erstautoren der Studie, Dr. Enrique Gonzalez-Duran und Dr. Stephanie Ruf haben viel fachliches Know-how eingebracht, und ich freue mich sehr über das Ergebnis unserer gemeinsamen Arbeit“, so der Preisträger Kin Pan Chung über seine Erfahrungen im Forschungsprojekt.

Über Dr. Kin Pan Chung
Kin Pan Chung studierte in Hong Kong Molekulare Biotechnologie an der Chinese University of Hong Kong. Er erlangte dort seinen Doktortitel im Jahr 2017 für Arbeiten zu Autophagie und Proteintransport in Pflanzen. Seit 2018 forscht Dr. Chung am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ralph Bock an Pflanzenorganellen und Chloroplasten.

Jeff Schell revolutionierte die Pflanzenforschung
Der Namensgeber des Preises ist der belgische Molekularbiologe Jozef Stefaan (Jeff) Schell (1935 – 2003). Er studierte Zoologie und Mikrobiologie an der Universität in Gent, wo er von 1967 bis 1995 als Professor arbeitete. Von 1978 bis 2000 war er Direktor und Leiter der Abteilung „Molekulare Grundlagen der Pflanzenzüchtung“ am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln.

Schell war einer der Pioniere der Biotechnologie. Ihn interessierten als Mikrobiologen die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bodenbakterien. Bei seinen Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung pflanzlicher Tumoren zeigte sich, dass das im Boden weit verbreitete Agrobacterium tumefaciens Gene auf Pflanzen übertragen kann. In der Folge führten diese Forschungsergebnisse dazu, dass mit Hilfe dieses Bakteriums gezielt Gene in Pflanzen eingeschleust werden können.

Das Verfahren zur Transformation von Pflanzen hat seither die Pflanzenforschung revolutioniert, da mit seiner Hilfe die Funktion von Genen bestimmt werden kann und so die Pflanzenforscher weltweit die Möglichkeit haben Stoffwechselabläufe, pflanzliches Wachstum und pflanzliche Entwicklung besser zu verstehen.

Zur Redakteursansicht