Golmer Wissenschaftler erhält Jeff Schell Preis für Durchbruch bei der genetischen Veränderung von Mitochondrien

In diesem Jahr ehrt das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie wieder einen Potsdamer Nachwuchswissenschaftler für seine bahnbrechende Forschung an pflanzlichen Mitochondrien.

29. Juni 2022

Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie ehrt in diesem Jahr den Postdoktoranden Joachim Forner für seine herausragende Forschungsarbeit mit dem Jeff Schell Preis. Bei einer feierlichen Zeremonie am 29. Juni 2022 wurde der mit 2.500 € dotierte Preis an den Preisträger übergeben.
 

Joachim Forner erhält Auszeichnung für seine Arbeit an der gezielten genetischen Veränderung von pflanzlichen Mitochondrien

Die genetische Veränderung von Erbgut in lebenden Organismen ist die Grundlage der modernen Molekularbiologie. Pflanzen enthalten Erbinformationen in drei getrennten Genomen in ihren Zellen: im Zellkern, in den Chloroplasten und in den Mitochondrien. Schon seit vielen Jahren stehen im Modellorganismus Tabak für das Genom im Zellkern und in den Chloroplasten Methoden zur genetischen Manipulation zur Verfügung. Dank dieser Werkzeuge wurden bedeutende Forschungsergebnisse erzielt, die unser Verständnis von Pflanzen und den darin stattfindenden molekularen Vorgängen nachhaltig verändert haben. Nun gelang es Dr. Joachim Forner und seinen Kollegen am Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie, gezielt ein Gen im Genom der Mitochondrien zu verändern.

Joachim Forner und seine Kollegen nutzten die relativ junge Methode der Genomeditierung, um ihr Ziel zu erreichen. Der bekannteste Vertreter dieser neuen Form der Genveränderung ist CRISPR/Cas9. Da Mitochondrien allerdings nicht für das CRISPR System zugänglich sind, mussten die Forscher auf eine andere Methode ausweichen. Joachim Forner und Kollegen nutzten TALENs (transcription activator-like effector nucleases), um gezielte Veränderungen im nad9-Gen im mitochondrialen Genom von Tabakpflanzen zu erzeugen. Das Besondere an dem Ansatz ist, dass sich damit die veränderten Genvarianten gezielt vervielfältigen lassen, sodass ausschließlich genetisch veränderte Mitochondrien übrigbleiben. Mit dieser TALEN-GDM (TALEN gene-drive mutagenesis) getauften Methode gelang es Joachim Forner, eine Reihe an Punktmutationen in den Mitochondrien von Tabakpflanzen zu erzeugen, die stabil an Nachkommen vererbt werden konnten. Die Ergebnisse seiner Arbeit konnte Joachim Forner im renommierten Fachjournal Nature Plants veröffentlichen.

„Aus meiner Sicht sind die neuen Möglichkeiten, die Genome pflanzlicher Mitochondrien gezielt zu verändern, ein regelrechter Durchbruch für die Grundlagenforschung“, sagt Joachim Forner. Die neu entwickelte Methode sei „zusätzlich eine schlagartige Erweiterung des Potenzials, Nutzpflanzen mithilfe von Hybridsaatgut ertragreicher zu machen.“

Mit TALEN-GDM können zukünftig beliebige Gene im mitochondrialen Genom gezielt verändert und untersucht werden. Die Verfügbarkeit von Methoden zur Genveränderung in allen drei Genomen in Tabakpflanzen eröffnet neue Ansätze zur Erforschung von grundlegenden molekularen Prozessen. Joachim Forner hat einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der molekularbiologischen Prozesse in Pflanzen und darüber hinaus geleistet und ist somit ein würdiger Träger des Jeff Schell Preises.

Mitochondrien schon früh im Fokus

Joachim Forner studierte Biologie an der Universität in Ulm. Schon während seiner Doktorarbeit interessierte er sich für Forschung an Mitochondrien und so erhielt er den Promotionspreis für seine Dissertation mit dem Titel „Analysis of mRNA termini in mitochondria of Arabidopsis thaliana.“ Nach zwei PostDoc-Aufenthalten am MPI für Entwicklungsbiologie (heute MPI für Biologie) in Tübingen und der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg kam Joachim Forner im September 2015 an das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam-Golm und damit wieder zum Thema Mitochondrienforschung. Sein Ziel war es, pflanzliche Mitochondrien zu transformieren. Diesem Ziel ist er mit seiner Arbeit ein bedeutendes Stück nähergekommen.

„Die Auszeichnung ist für mich ein Zeichen der Anerkennung, dass es sich gelohnt hat, dass alle am Projekt Beteiligten sich nicht von der anfänglichen Durststrecke haben entmutigen lassen“, so Joachim Forner. „Schließlich hat es drei Jahre bis zum ersten Durchbruch gedauert und weitere zwei, bis wir alles weit genug optimiert hatten.“

Ab Sommer 2022 tritt Joachim Forner eine neue Stelle als Interimsprofessor an der Universität Ulm an. Das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie gratuliert zu dieser neuen Aufgabe und zur Auszeichnung mit dem Jeff Schell Preis 2022.

Die Auszeichnung wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende der BASF.

Jeff Schell revolutionierte die Pflanzenforschung

Der Namensgeber des Preises ist der belgische Molekularbiologe Jozef Stefaan (Jeff) Schell (1935 – 2003). Er studierte Zoologie und Mikrobiologie an der Universität in Gent, wo er von 1967 bis 1995 als Professor arbeitete. Von 1978 bis 2000 war er Direktor und Leiter der Abteilung „Molekulare Grundlagen der Pflanzenzüchtung“ am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung in Köln.

Schell war einer der Pioniere der Biotechnologie. Ihn interessierten als Mikrobiologen die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Bodenbakterien. Bei seinen Untersuchungen zur Entstehung und Entwicklung pflanzlicher Tumoren zeigte sich, dass das im Boden weit verbreitete Agrobacterium tumefaciens Gene auf Pflanzen übertragen kann. In der Folge führten diese Forschungsergebnisse dazu, dass mit Hilfe dieses Bakteriums gezielt Gene in Pflanzen eingeschleust werden können.

Das Verfahren zur Transformation von Pflanzen hat seither die Pflanzenforschung revolutioniert, da mit seiner Hilfe die Funktion von Genen bestimmt werden kann und so die Pflanzenforscher weltweit die Möglichkeit haben Stoffwechselabläufe, pflanzliches Wachstum und pflanzliche Entwicklung besser zu verstehen.

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