Metabolitenprofiling - Aus kleinen Molekülen auf große Veränderungen schließen

Metaboliten sind Zwischenprodukte des Stoffwechsels und wie es Zwischenprodukte so an sich haben, sind sie nicht beständig sondern werden immerzu auf-, ab- und umgebaut. Die Konzentrationen der einzelnen Metaboliten werden von zwei Dingen wesentlich beeinflusst: den Genen, die dafür verantwortlich sind, welche Stoffe überhaupt gebildet werden können und der Umwelt, die darauf Einfluss nimmt, welche Gene aktiviert werden. Forscher wollen aus diesem zutiefst dynamischen Netzwerk ablesen, welche genetische Ausstattung ein Organismus hat und welche bisher verborgenen Eigenschaften das mit sich bringt.

Metaboliten sind eine bunte Truppe von Enzymen, Signalmolekülen, Proteinen, Fetten und Zuckermolekülen; bei weitem nicht alle Stoffe sind bisher bekannt. Bei der Metaboliten-Analyse werden die Massen der einzelnen Stoffe, die gleichzeitig in einer Zelle vorhanden sind, bestimmt. Manchmal gibt sich ein Molekül bereits durch sein spezifisches Gewicht zu erkennen, von dem im besten Fall vielleicht auch schon bekannt ist, durch welches Gen seine Synthese reguliert wird. Manchmal hat man am Ende der Analyse aber nur: die Masse eines unbekannten Moleküls.

Auch bei Pflanzen zählen manchmal die inneren Werte – ihr  Metabolitenprofil

Taucht dieses unbekannte Molekül zufälligerweise nur in Pflanzen auf, die sich besonders gut an bestimmte Umweltbedingungen angepasst haben oder einen auffälligen Phänotyp zeigen - sich also in Wuchsform, Blattgröße oder sonstigen Merkmalen von ihren Artgenossen unterscheiden - wird es für die Wissenschaftler interessant. Sie versuchen jetzt, den Stoff zu identifizieren, seine Rolle im Stoffwechsel aufzudecken und ihn einem Gen zuzuordnen.

 

Gelingt ihnen das, können Saatguthersteller die Daten dazu verwenden, Pflanzen mit neuen, besseren Eigenschaften zu züchten. Untersuchungen der genetischen Zusammensetzung beziehungsweise des Stoffwechsels von Keimlingen können ihnen dann bereits schon Aufschluss darüber geben, ob die Pflanze im ausgewachsenen Stadium die gewünschten Eigenschaften zeigen wird.

Bis zu 500 verschiedene Stoffe lassen sich gleichzeitig analysieren

Das Prinzip des Metabolitenprofiling, so der Fachbegriff für die Identifikation der Stoffwechselmoleküle, ist nicht ganz neu und das Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie war Pionier auf diesem Gebiet. Bereits 1999, als sich gerade mal eine Hand voll Forscher mit dieser Methode beschäftigte, sagten Wissenschaftler des Instituts in einem Fachartikel voraus, dass die nächste Dekade der Pflanzenforschung im Zeichen des Metabolitenprofiling stehen wird. Genau so ist es dann auch gekommen.

Doch erst die technischen Entwicklungen der letzten Jahre haben es ermöglicht, dass jetzt im Hochdurchsatzverfahren Proben analysiert werden können. An die 500 Inhaltsstoffe können gleichzeitig detektiert werden und gute Geräte arbeiten sich durch 400 Proben pro Woche.

Die meisten Forschungsarbeiten werden an Modellorganismen durchgeführt. Die Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana kommt zum Einsatz, genau wie das Darmbakterium E. coli und das stickstofffixierende Bakterium Synechocystis spp. Es ist bekannt, dass viele Gene über Artgrenzen hinweg konserviert sind und sich die Forschungsergebnisse, die an Modellorganismen gewonnen werden, auf andere Arten übertragen lassen. So erscheint beispielsweise ein höherer Biomasseertrag bei der kleinen, unkrautähnlichen Ackerschmalwand als sehr unspektakulär, während er bei Mais für den Landwirt und den Bioenergiesektor sehr interessant wäre. Gemeinsam mit der Universität Hohenheim und dem IPK Gatersleben gelang es den Wissenschaftlern aus Lothar Willmitzers und Mark Stitts Arbeitsgruppen, aus den Metaboliten von Maiskeimlingen auf einige Eigenschaften der ausgewachsenen Pflanzen zu schließen.

Auch Weinkenner und Winzer dürften sich für die Methode interessieren. In Kooperation mit Forschern aus Chile haben die Wissenschaftler Weine von Fachleuten beurteilen lassen und dann nach Markersubstanzen gesucht, die vielleicht schon lange vor der Traubenernte Auskunft über die Güte des Weins geben können.

Wird der Tumor metastasieren? Vielleicht geben Metabolitenprofile eine Antwort

Inzwischen werden auch andere Wissenschaftszweige vermehrt auf die Möglichkeiten des Metabolitenprofiling aufmerksam. Statt nur die Eigenschaften von Pflanzen vorherzusagen, kann man schließlich auch in anderen Disziplinen solche Moleküle gut gebrauchen, die Vorhersagen über die weitere Entwicklung der Zellen, des Gewebes oder des ganzen Organismus erlauben. Was wäre zum Beispiel, wenn sich aus den Stoffwechselprodukten von Krebszellen ablesen ließe, ob der Tumor zu Metastasen neigen wird oder nicht? Bisher ist das noch Zukunftsmusik, aber eine, die sich zum Trommelwirbel steigern könnte.

[CS]

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