Arzneimittelproduktion in Pflanzen

Einige Pflanzen haben von Natur aus eine heilende Wirkung, andere können zumindest zur Herstellung von Medikamente angeregt werden. Die Biofabriken produzieren Impfstoffe oder Enzyme mit weitaus weniger finanziellem Aufwand als ihre Kollegen aus der Bakterienkultur. Auch neue Antibiotika können effektiv aus Pflanzenzellen gewonnen werden.

Dass die Wirkung pflanzlicher Medikamente nicht auf Einbildung beruht sondern sich auf pharmazeutisch aktive Substanzen zurückführen lässt, ist in zahlreichen Fällen bewiesen. Ob Kamille bei Magenbeschwerden oder Baldrian zur Linderung von Schlaflosigkeit, die Liste von pflanzlichen Helfern ist lang.

Pflanzen als Biofabriken

Weniger bekannt ist die Tatsache, dass Pflanzen auch gezielt zur Produktion von Impfstoffen oder anderen therapeutisch wirksamen Substanzen eingesetzt werden, die bisher hauptsächlich in Bakterienkulturen hergestellt werden.

Dazu werden in die Pflanzenzellen Genabschnitte eingeschleust, die für pharmazeutisch interessante Proteine kodieren. Hauptsächlich Impfstoffe, aber auch Enzyme zur Behandlung unterschiedlichster Stoffwechselstörungen, stehen auf der Forschungsagenda.

Mit Proteinen aus Möhrenzellen die Gaucher-Krankheit behandeln

Im Mai 2012 hat die amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA erstmals einem Wirkstoff die Genehmigung erteilt, der in Pflanzenzellen produziert wird. Es handelt sich um das Enzym Glucocerebrosidase, was den Patienten fehlt, die an der Gaucher-Krankheit leiden.

Statt wie bisher in gentechnisch veränderten Säugetierzellen wird das lebenswichtige Enzym neuerdings in Möhrenzellen hergestellt. Etwa ein Viertel an Produktionskosten lassen sich durch den Einsatz solcher Pflanzenzellen einsparen.

Gentechnische Veränderung der Chloroplasten erhöht Ausbeute und Sicherheit

Pharmafirmen arbeiten außerdem an Impfstoffen gegen Hepatitis B, Tollwut oder Grippeviren,  die sie in Tabakpflanzen produzieren wollen. Meistens wird dafür nicht das Genom im Zellkern der Pflanzen, sondern die DNA in den grünen Chloroplasten verändert.

Da bis zu 10.000 Kopien der Chloroplasten-DNA in einer Pflanzenzelle vorkommen können, ist die Ausbeute mit dieser Methode wesentlich höher, als wenn nur die wenigen Kopien der Zellkern-DNA verändert werden. Eine Verbreitung der neu eingeführten Gene in andere Pflanzen ist zudem unwahrscheinlich, weil der Pollen nur in den seltensten Fällen Chloroplasten enthält.

Wissenschaftler am MPI-MP synthetisieren Antibiotika in Tabak

Am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie widmet sich eine ganze Abteilung den Vorgängen in Chloroplasten. Die Forscher um Ralph Bock legen mit ihrer Arbeit den Grundstein für zahlreiche Anwendungen. So fanden sie beispielsweise heraus, dass Chloroplasten an Kontaktflächen zwischen verschiedenen Arten ausgetauscht werden können. Außerdem hilft ihre Arbeit dabei, die biologische Sicherheit von Chloroplasten-Transformationen zu bewerten.

Bereits im Jahr 2008 gelang es ihnen, große Mengen Antibiotika in den Blättern von Tabakpflanzen zu produzieren. Diese antibiotischen Proteine, Lysine genannt,  wirken sehr effektiv gegen beispielsweise Streptococcus pneumoniae, den Erreger der Lungenentzündung.  Da viele Bakterienstämme bereits Resistenzen gegen bekannte Antibiotika entwickeln, sind es genau solche Forschungsansätze, die den Weg zu einer weiteren sicheren Gesundheitsversorgung ebnen.

[URS/CS]

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