Mathematische Modelle ersetzen das Bauchgefühl

Die Experimente von Biologen erzeugen inzwischen unglaubliche Mengen von Daten. Angefangen bei der DNA über Proteine, Enzyme und Metaboliten – alles kann in immer kürzerer Zeit immer preiswerter analysiert werden. Um dieser gewaltigen Datenflut Herr zu werden und nicht darin zu versinken, brauchen die Wissenschaftler die Hilfe von Spezialisten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, diese Daten in ein Korsett zu zwängen, mit dem man sie beherrschen und vor allem verstehen kann: mathematische Modelle.

Wenn Pflanzenforscher mit ihren hochmodernen Geräten den Pflanzen alle möglichen Informationen entlocken, stehen sie am Ende vor einem Haufen Zahlen. Zahlen, die etwas über den Gehalt an Zuckermolekülen oder Fettsäuren aussagen, die die Aktivität der Zellatmung oder der Photosynthese beschreiben. Da am Ende aber nicht der Wissenschaftler mit den meisten Analysen, sondern der mit den wichtigsten Erkenntnissen das Rennen gewinnt, folgt auf das Experimentieren die eigentliche Arbeit.

Mit Hilfe von Berechnungen versuchen die Forscher, Beziehungen zwischen den analysierten Stoffen und wichtigen Variablen, wie zum Beispiel der Biomasseproduktion, herzustellen. Dabei entstehen Formeln wie „Je mehr Stoff A, desto größer die Pflanze“. Doch aus diesen statistischen Modellen lässt sich noch kein Zusammenhang ablesen. Ob es sich wirklich um Ursache und Wirkung handelt, zeigt sich erst, wenn man den Blick wieder in ein Biologiebuch steckt und nach Reaktionen und Stoffwechselwegen fahndet an denen der gewählte Stoff beteiligt ist. Ist es überhaupt plausibel, dass dieses Molekül das Pflanzenwachstum beeinflusst?

Bei einem guten Modell passen Statistik und Biochemie zusammen

„Wenn Statistik und Biochemie sich einig sind, dann haben wir vermutlich einen Kandidaten gefunden, der tatsächlich die Größe von Pflanzen reguliert“, so Zoran Nikoloski, der Leiter der Arbeitsgruppe ‚Systembiologie und Mathematische Modellierung‘. Als nächstes beraten sich die Modellierer mit den Pflanzenforschern und bestimmen gemeinsam, wie die nächsten Experimente aussehen sollten mit denen sich die eben aufgestellte Hypothese bestätigen oder entkräften lässt. „Früher war das alles nur Bauchgefühl der Forscher, heute gehen wir das präziser an, indem wir die Daten in einen Zusammenhang setzen“, erklärt Nikoloski die Bedeutung seiner Arbeit.

Dazu gehört auch, herauszufinden an welchen anderen Reaktionen die Stoffe außerdem noch beteiligt sind. Reguliert das wachstumssteigernde Molekül über lange Signalkaskaden vielleicht noch ganz andere Prozesse? Ändert sich sein Einfluss je nach Umweltbedingungen oder gewählter Pflanzenart oder handelt es sich um eine ganz allgemeingültige Reaktion?

Um den Wirkmechanismus zu verstehen, möchte Nikoloski am liebsten alle Zustände und alle Stoffwechselwege analysieren, denn sie beeinflussen sich gegenseitig. So kann es zum Beispiel sein, dass heute sehr ertragreiche Pflanzensorten auf die im Zuge des Klimawandels einsetzenden Veränderungen in der Temperatur oder dem CO2-Gehalt negativ reagieren. Schön wäre es, wenn man das schon im Voraus berechnen könnte.

[CS]

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