Pilzgespinst im Wurzelwerk

Seit Jahrmillionen leben Pflanzen mit manchen Pilze in enger Gemeinschaft. Sie erhalten von den Mikroorganismen lebensnotwendige Mineralsalze wie Phosphat und versorgen diese mit Kohlenhydraten.

21. Dezember 2011

Seit Jahrmillionen leben Pflanzen mit manchen Pilze in enger Gemeinschaft. Sie erhalten von den Mikroorganismen lebensnotwendige Mineralsalze wie Phosphat und versorgen diese mit Kohlenhydraten. Franziska Krajinski vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Golm beobachtet die beiden ungleichen Partner dabei, wie sie Kontakt miteinander aufnehmen und Nährstoffe austauschen.

Text: Catarina Pietschmann

Enge Beziehung: In Golm bei Potsdam untersucht Franziska Krajinski die Symbiose zwischen dem Schneckenklee Medicago truncatula und dem Pilz Glomus intraradices.

Er liegt ihr zu Füßen, umgarnt sie pausenlos. Denn ohne sie kann er nicht sein. Sie umgekehrt schon – doch schätzt sie seine Nähe außerordentlich. Denn er gibt ihr Kraft, lässt sie stärker und schöner werden als jene, die keinen so fürsorglichen Partner haben. Und dafür belohnt sie ihn mit Süßem. Eine wahrhaft symbiotische Verbindung – bis dass der Tod sie scheidet.

Nein, hier geht es nicht um die perfekte Ehe. Sondern um die uralte Geschichte der innigen, unterirdischen Beziehung zwischen Pflanzen und Mykorrhiza-Pilzen. Sie begann vor 400 Millionen Jahren, als die ersten Pflanzen an Land gingen. Ursprünglich hatten wohl alle Gewächse solche Ernährer im Wurzelbereich. Die Pilze bieten ihnen Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe aus dem Boden an. Im Gegenzug bekommen sie Zucker, den die Pflanzen mittels Fotosynthese erzeugen. Der Kohlenstoff darin ist das Lebenselixier der Pilze, die Basis ihrer Existenz. Eine perfekte Balance aus Geben und Nehmen.

Selbst ambitionierte Hobbygärtner machen sich wenig Gedanken darüber, wie Pflanzen an ihre Nährstoffe kommen. Sie gießen regelmäßig und düngen hin und wieder. „Der Bereich ein bis zwei Millimeter neben den Wurzeln verarmt schnell an Phosphat. Denn es strömt nicht durch den Boden nach“, erklärt Franziska Krajinski vom Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie. „Da ist die Pflanze auf Hilfe angewiesen.“ Zum Beispiel auf die der Pilze.

In Golm bei Potsdam untersucht die Biologin dieses Zusammenspiel an dem mit der Luzerne verwandten Schneckenklee Medicago truncatula und dem Pilz Glomus intraradices. Denn obwohl es den Tauschhandel schon seit Urzeiten gibt, weiß bis heute niemand genau, wie er auf molekularer Ebene funktioniert. Wie kommunizieren Wirt und Symbiont? Wie findet der Stoffaustausch ganz konkret statt? Dass manche Pflanzen, darunter alle kohlartigen Gewächse, auf Versorgungsgemeinschaften mit Pilzen verzichten, macht es nicht einfacher. Auch der Biologen liebste Modellpflanze, die Ackerschmalwand Arabidopsis, gehört zu den wenigen Pflanzen die keine Symbiose mit Pilzen eingehen. „Die Mykorrhiza-Symbiose war deshalb lange ein Stiefkind der Forschung“, erklärt Krajinski.

Doch zunächst zum sperrigen Vokabular. Der Begriff Mykorrhiza stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Pilzwurzel“. Mykorrhiza-Pilze betreiben also Pilz-Wurzel-Interaktionen und sind weit verbreitet im Reich der Pilze. Die AM-Pilze – AM steht für arbuskuläre Mykorrhiza – hingegen bilden eine eigene Abteilung, die so genannten Glomeromycota. Ihre schätzungsweise 400 Arten sind allesamt Endosymbionten, das heißt: Sie dringen mit den Spitzen ihrer fadenförmigen Zellen, den Hyphen, direkt in die Pflanzenzellen ein. Dort bilden sie eigens für den Nährstoffaustausch einen bäumchenförmigen Apparat aus – das Arbuskel.

Das unterscheidet sie von Steinpilzen und anderen typischen Waldpilzen. Zwar bilden auch sie im Boden ein weitreichendes Hyphengeflecht und dazu oberirdische – manchmal wohlschmeckende – Fruchtköper, doch es sind Ektosymbionten. Sie wachsen zwar auch in den Wurzeln ihres Wirts, der häufig ein Baum ist, dringen aber niemals in die Wurzelzellen ein. Diese Arten entwickelten sich in der Erdgeschichte lange nach den AM-Pilzen.

Im Erdboden ist mehr los, als man vermuten würde. Wenn die 39-jährige Magdeburgerin von ihrer Forschung erzählt, öffnet sich ein verborgenes, unterirdisches Reich. Zwischen den Wurzeln von Bäumen, Sträuchern und Gräsern tummeln sich Bodenbakterien, Würmer, kleine Insekten. Aber hier leben auch diverse Arten von AM-Pilzen, die mit ihren farblosen Hyphen haarfeine Geflechte ausbilden und sich über einen ganzen Quadratmeter erstrecken können. „Es entsteht also ein großes Netzwerk zwischen verschiedenen Pflanzen und Pilzen“, sagt Krajinski. Die unscheinbaren Pilze dienen sich jedem erreichbaren Gewächs an, das ihre Dienste zu schätzen weiß. Anders als Bakterien, die andere Arten gern mal überwuchern und ihr eigenes Territorium notfalls mit Giftattacken verteidigen, liefern sich AM-Pilze keine Revierkämpfe. „Sie haben wahrscheinlich keine Kapazitäten frei, um Toxine zu bilden“, erklärt Krajinski. „Schließlich bekommen sie jedes einzelne Kohlenstoffatom von ihrer Wirtspflanze.“ Besondere Vorlieben einer bestimmten Pflanze für einen speziellen Pilztyp und umgekehrt gibt fast es nicht. „Wir wissen nur, dass es effizientere und weniger effizientere Symbiosen gibt.“

Über 80 Prozent aller Landpflanzen praktizieren heute eine AM-Symbiose. Manche bedienen sich auch Knöllchenbakterien – ebenfalls eine Form der Endosymbiose –, die Stickstoff aus der Luft fixieren können. Der Schneckenklee kann beides und ist nicht wählerisch. Er treibt Tauschhandel mit jedem, der zufällig in der Nähe ist. Damit die Wissenschaftler die reine Symbiose mit den Pilzen untersuchen können, gilt für ihn im Golmer Forschungsgewächshaus deshalb ein striktes Kontaktverbot mit den Knöllchenbakterien.

Wie beginnt das Leben eines so genannten obligaten Symbionten – also eines Organismus, der nur mit pflanzlichem Partner überleben kann? Er startet allein als winzige Spore: eine kaum einen Millimeter große runde Überlebenskapsel, prall gefüllt mit Proviant, denn es kann lange dauern, bis der Tag kommt, an dem sie auskeimt. Welches Signal die Spore dazu bringt, ist nicht genau bekannt. Es könnte schlicht Wasser sein, denn legt man sie im Labor auf ein wässriges Bett aus Algen-Gelatine geht es los: Aus der Spore stülpen sich ein bis drei kleine Hyphen.

Mit etwas Glück wächst genau in diesem Moment in unmittelbarer Nähe eine Wurzel – und die Kontaktaufnahme beginnt. Nicht durch Antippen, sondern chemisch über Moleküle. „Ich persönlich glaube, dass die Initiative von der Pflanze ausgeht, denn sie hat einfach mehr Ressourcen. Sie gibt das erste Signal“, sagt Krajinski. „Erst wenn der Pilz sicher sein kann, dass ihn ein Wirt kontaktiert, antwortete er.“

Genau nach dieser Antwort sucht die Arbeitsgruppe, den so genannten Mykorrhiza-Faktoren. Um diese zu identifizieren, muss sie erst die Reaktion der Pflanze entschlüsseln. Dazu wird eine bereits kolonisierte Wurzelkultur, in der Botenmoleküle der Pflanze und des Pilzes vorhanden sind, mit einer Membran abgedeckt. Sie verhindert den direkten Kontakt zum Schneckenklee, dessen Keimling nun obendrauf gesetzt wird. „Die Botenmoleküle diffundieren durch die Membran“, erzählt die Biologin, „wir untersuchen dann, womit die Pflanze antwortet.“ Anhand ihrer Reaktion, nämlich der Aktivierung von Genen, können die Forscher wiederum die Signalstoffe des Pilzes identifizieren. Wie das pflanzliche Immunsystem jedoch zwischen Freund – einem potenziellen Symbionten – und Feind – einem krankmachenden Pilz – unterscheidet, ist noch ein Rätsel.

Ist keine Wurzel da, zieht die Spore ihre Hyphen wieder ein. Die Energiereserven in der Kapsel reichen für mehrere Versuche. Nach einiger Zeit probiert sie es erneut. Neuer Keim – neues Glück. Und wenn es diesmal klappt, man sich erkannt hat, findet auch bald der erste physische Kontakt statt. Die Hyphen verzweigen sich und stellen schon mal ein Füßchen auf die Wurzel. Mit winzigen runden Plättchen heften sie sich daran an. Schließlich dringt der Pilz in die Wurzel ein.

Die Zellen der Wurzelhaut bereiten sich aktiv darauf vor, machen freiwillig Platz. „Sie organisieren ihr gesamtes Zellskelett um. Bilden einen Tunnel, damit die Pilzhyphe durchwachsen kann.“ Die spinnennetzartigen Fäden schlängeln sich nun zwischen den Zellen weiter zur Wurzelmitte durch. Ihr Ziel sind die Zellen der inneren Wurzelrinde, die den Zentralzylinder umschließen. In ihm befinden sich die Leitbündel, die Wasser und Nährstoffe in die oberirdischen Pflanzenteile befördern. Und hier kommt umgekehrt auch der für den Pilz essenzielle Zucker an.

Jetzt beginnt die Arbuskel-Bildung: Anfangs sind es nur zwei bis drei Ausstülpungen, dann werden es mehr. Bald sieht die Hyphe aus wie ein Knäuel aufgeblasener Miniatur-Gummihandschuhe. Immer mehr Ausstülpungen entstehen, bis die Pflanzenzelle fast komplett mit dem Arbuskel ausgefüllt ist. Nie kommt der Pilz dabei jedoch mit dem Inneren der Pflanzenzelle direkt in Kontakt. Er bleibt immer von der Pflanzenzellmembran umschlossen, dellt sie lediglich nach innen ein. Je mehr er sich verzweigt, desto besser, denn umso größer wird die Oberfläche für den Nährstoffaustausch. In der Pflanzenzellmembran werden jetzt ganz neue Proteine gebildet, die die Pflanze normalerweise nicht herstellt. Sie dienen unter anderem als Transportvehikel für Phosphat oder Stickstoff.

Arbuskeln haben ihre eigene Dynamik. Sie werden nur etwa zehn Tage alt und degenerieren dann. Niemand weiß, warum. Dieselbe Zelle kann aber wieder ein neues Arbuskel aufnehmen. Mikroskopaufnahmen von Längs- und Querschnitten durch Wurzeln zeigen junge neben ausgewachsenen Arbuskeln.

Es dauert nicht lange, und die komplette innere Wurzelrinde ist kolonisiert. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine Invasion wie eine feindliche Übernahme. Doch es ist friedliche Koexistenz. Um maximal voneinander zu profitieren, stellen sich beide Seiten perfekt aufeinander ein – eine Symbiose im wahrsten Sinne des Wortes: zusammen leben.

In den infiltrierten Zellen springt ein sehr altes genetisches Programm an und programmiert sie für die Symbiose komplett um. Wie unterscheidet sich die Genaktivität dieser Zellen von benachbarten Zellen ohne Arbuskeln? Um das herauszufinden, untersuchte Franziska Krajinskis Team beide getrennt. Sie waren die ersten, denen das gelang – mittels so genannter Laser-Capture-Mikroskopie. Dabei schneidet ein feiner Laserstrahl die Zellen aus und ein zweiter katapultiert das Gewebe in ein Probenröhrchen. Vier Jahre hat es allein gedauert, Einzelzellen auf diese Weise im Schnellverfahren erfassen und analysieren zu können.

Mit ruhiger Hand, konzentriertem Blick und extrem viel Geduld isolierten die Forscher etwa 13.000 Zellen. Genug, um die RNA und die Proteine dieser Zellen zu untersuchen. Und gerade mal ausreichend, um auch die Aminosäuren und Zucker zu bestimmen, die von Zellen mit Arbuskeln gebildet werden. Zusammen mit anderen Arbeitsgruppen am Institut extrahierten Krajinski und ihre Mitarbeiter die Zellflüssigkeit aus den Zellausschnitten und analysierten ihre Zusammensetzung. Das Resultat: Sie fanden viel Saccharose, viele stickstoffhaltige Aminosäuren und einige noch unbekannte Verbindungen. „Gerade diese sind hochinteressant! Denn sie werden nur während der Symbiose gebildet.“ Welcher Metabolit dabei vom Pilz und welcher von der Pflanze stammt, ist allerdings noch nicht zu sagen.

Der Vergleich von Zellen mit Arbuskeln, Nachbarzellen ohne Arbuskel und Zellen nicht-kolonisierter Wurzeln zeigt: Rund 800 Gene verändern durch die Symbiose ihre Aktivität. Überraschenderweise werden die Nachbarzellen ähnlich stark umprogrammiert. Aber warum? Möglicherweise bereiten sie sich auf die eigene Kolonisierung vor. Vielleicht übernehmen ihre Nachbarn aber auch Funktionen, die sie nicht mehr ausüben können, denn die kolonisierten Zellen sind ja von den Arbuskeln komplett ausgefüllt. Oder sie helfen, Zuckerreserven bereitzustellen. Die Aktivität bestimmter Gene in den Nachbarn lässt nämlich vermuten, dass in ihnen verstärkt Stärke zu transportfähigem Zucker abgebaut wird.

Die Umprogrammierung von Genen wird von Transkriptionsfaktoren angeschoben, die die Aktivität von Genen regulieren. Sie sind der Auslöser dafür, dass eine Zelle andere Proteine als üblich bildet. Doch sind sie die einzige Kontrollinstanz? Seit einiger Zeit ist nämlich bekannt, dass bei vielen Organismen neben den Transkriptionsfaktoren auch so genannten Mikro-RNAs diese Aufgabe übernehmen. Diese erst 1993 entdeckten RNA-Abschnitte sind nur 21 bis 23 Nukleotide lang und beeinflussen ebenfalls die Genaktivität. Krajinskis Team hat deshalb untersucht, ob Pflanzen-Pilz-Symbiosen auch ihre eigenen Mikro-RNAs besitzen.

Pflanzen können mit Hilfe der RNA-Schnipsel steuern, wie stark sie den Pilz mit versorgen. Das schützt sie vor Überfütterung – lässt den armen, abhängigen Pilz aber darben, denn der Symbiont erhält im Gegenzug weniger Zucker. „Hat eine Pflanze beispielsweise genug Phosphat, kann sie die weitere Aufnahme mittels Mikro-RNAs der Gruppe 399 drosseln. Deshalb könnten diese Moleküle ideale Kandidaten sein, um auch die Symbiose anzukurbeln oder zu bremsen.“ Diese Funktion konnten die Forscher zwar nicht bestätigen, sie haben allerdings viele neue Mikro-RNAs entdeckt. Die werden nun weiter untersucht.

Die molekulare Logistik der AM-Symbiose ist sehr komplex, doch die Vorgänge erinnern an Alltägliches: Der Pilz als Großhändler der Pflanze, in diesem Fall als ein Großhändler für Mineralstoffe. Er verfügt über ein weitverzweigtes Zulieferernetzwerk – seine Hyphen. Mit Kleintransportern – Transportproteinen in der Arbuskelmembran – beliefert er seine pflanzlichen Kunden. Die stehen auf der Gegenseite schon mit Handkarren bereit – eigenen Transportproteinen –, um die Nährstoffpaletten hinein zu schaffen und bei sich zu verteilen.

Auch die Bezahlung ähnelt dem Wirtschaftsleben. Können Kunden ihre Rechnungen nicht mehr begleichen, geht der Großhändler Pleite – ist die Pflanze knapp bei Zucker, leidet der Pilz.

Lange haben sich die Forscher vor allem mit dem Phosphat-Austausch beschäftigt. Inzwischen sind sie nicht nur auf spezifische Transportproteine für dieses Mineral gestoßen, sondern unter anderem auch für Ammonium, Nitrat und möglicherweise auch für Kupfer. Der Pilz zieht offenbar alles aus dem Boden, was er zu fassen kriegt, und pumpt es mit unterschiedlichen Transportproteinen in den winzigen Spalt zwischen Arbuskelmembran und Membran der Wurzelrindenzellen. Dort übernehmen die pflanzlichen Transporter die Nährstoffe.

Aber wie steht es um die Balance zwischen den Nährstoffen? Auf welches Mineral ist die Pflanze am schärfsten und auf welches kann sie notfalls verzichten? Ein aktuelles Kooperationsprojekt untersucht dies anhand von Schwefeltransportern. „Sulfat galt lange als nicht so wichtig, da es in den Böden sogar im Übermaß vorhanden war“, erklärt Krajinski. In Töpfen, in denen die Kleewurzeln vom Pilz durch Barrieren getrennt sind, untersuchten die Biologen mit radioaktiv-markiertem Schwefel, wie sich Sulfat oder ein Mangel daran auf die Symbiose auswirkt.

Sie verabreichtem dem Pilz Sulfat und maßen, was davon bei der Pflanze ankommt. Mal hatte die Pflanze zuvor ausreichend Phosphat und zu wenig Sulfat bekommen, mal reichlich Sulfat, aber zu wenig Phosphat. „Wir wollten wissen, unter welchen Bedingungen die Symbiose unterdrückt wird.“ Das Ergebnis: Der Schneckenklee hat eine klare Präferenz – Hauptsache Phosphat! Selbst wenn er mit Schwefel regelrecht geflutet wird, unterdrückt er den Warentausch nur, wenn er ausreichend Phosphat intus hat.

Einen Boden, in dem keine Mykorrhiza-Pilze zu finden sind, gibt es praktisch nicht. Manche Arten wachsen überall – in der sibirischen Tundra ebenso wie in der Karibik. Eigentlich ideale Voraussetzungen für einen Einsatz in der Landwirtschaft. AM-Pilze könnten die chemische Düngung überflüssig machen, indem sie die Nährstoffressourcen des Bodens zugänglich machen.

„Zur Zeit ist die großflächige Anwendung von AM-Pilzen als Wachstumshilfe noch kaum möglich“, sagt Franziska Krajinski, „denn die jahrelange Überdüngung der Äcker mit Phosphat und Stickstoff bremst den Pilz aus.“ In überdüngten Böden gibt es viel weniger kolonisierte Wurzeln, und der Pilz kann sich nicht mehr gut vermehren. Und da Sporen nur während der Symbiose gebildet werden, verarmt der Boden langsam. „Allerdings sind die weltweiten Phosphatvorkommen, die zur Düngerproduktion gebraucht werden, fast erschöpft. AM-Pilze könnten also in ferner Zukunft eine Alternative sein.“ Möglicherweise bereitet die Forschung der Golmer Wissenschaftler buchstäblich den Boden dafür.

Für den Hobbygärtner gibt es allerdings schon jetzt eine Alternative zum Düngen. So offeriert ein renommierter britischer Rosenzüchter eine Mykorrhiza-Pilzsporenmischung in Tütchen. Damit kann man dem Wachstum von Garten- und Kübelpflanzen auf die Sprünge helfen: einfach die Wurzeln bepudern, einpflanzen, gießen, fertig.

 

Glossar:

Mykorrhiza

Symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen Pilzen und Pflanzen. Rund 80 Prozent der Landpflanzen bilden Mykorrhizen. Dabei herrschen drei Arten vor: Bei der ältesten Form, der Endomykorrhiza, dringen Pilzhyphen in die Wurzelzellen ein. Der Pilz versorgt die Pflanze in erster Linie mit Phosphat. Bei der Ektomykorrhiza wird die Wurzeln von einem dichten Gespinst aus Pilzhyphen umgeben, die außerhalb der Wurzelzellen bleiben. Sie helfen beispielsweise Nadelbäumen, ihren Stickstoffbedarf zu decken. Bei der ericoiden Mykorrhiza verbleibt ein Großteil der Pilzhyphen außerhalb der Wurzelzellen, einzelne Hyphen dringen jedoch auch in die Zellen ein. Diese Form kommt vor allem in Mooren und Heidegebieten vor und versorgt die Pflanzen vor allem mit Stickstoff.

Knöllchenbakterien

Symbiotische Bakterien von Schmetterlingsblütengewächsen (Erbsen, Bohnen, Klee), die Stickstoff aus der Atmosphäre binden und der Pflanze zur Verfügung stellen und von diesen Kohlenhydrate erhalten. Die Pflanzen bilden knollenförmige Verdickungen der Wurzeln aus, in deren Zellen die Bakterien vorkommen.

Arbuskel

Bäumchenförmige Auswüchse von Pilzhyphen ins Innere von Wurzelzellen bei der arbuskulären Mykorrhiza. Sie durchdringen die Zellulose-Wand der Zellen, nicht aber die Zellmembran. Die Auswüchse gabeln sich immer in zwei gleich große Äste. Die große Oberfläche des Arbuskels erleichtert den Stoffaustausch zwischen Pflanze und Pilz.

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