Die "Traube" beschäftigt sich mit den Grundlagen der Molekularbiologie. Wer wissen möchte, wie das Erbgut aufgebaut ist, wie aus Genen Merkmale entstehen oder warum Kinder sich von ihren Eltern unterscheiden und was die Keimzellenbildung damit zu tun hat, der findet im Traubenheft die Antworten. 

Warum interessieren sich Forscher für pflanzliches Erbgut?

Ohne Gene läuft nichts

Die gesamten Merkmale eines Organismus, egal ob Pflanze, Tier oder Mensch, sind im Erbgut in Form von Genen gespeichert und werden in Abhängigkeit von der Umweltsituation ausgeprägt. Sie wirken einzeln oder in Gruppen. Die Gesamtheit der Gene eines Organismus (Genom) stellt somit die „Betriebsanleitung“ für die Eigenschaftszusammensetzung eines Lebewesens dar. Sie ist verantwortlich für die Bildung von Stoffen zum richtigen Zeitpunkt und den korrekten Ablauf aller Prozesse in einem Organismus. Aufgrund moderner Methoden ist es den Wissenschaftlern mittlerweile möglich mit ihrer Forschung auf der Ebene des Erbguts anzusetzen. Die Wissenschaftler beobachten und erforschen nicht mehr nur einzelne Vorgänge und Reaktionen, sondern untersuchen und analysieren größere ineinandergreifende Prozesse sowie deren Wechselwirkungen mit der Umwelt. Ihr Ziel ist es Wachstum, Entwicklung und Stoffwechsel von Pflanzen zu verstehen und nachzuvollziehen. Werden diese Grundlagen verstanden, so können sie im nächsten Schritt dazu genutzt werden effektiver zu züchten, nachhaltiger Landwirtschaft zu betreiben und Voraus sagen über die Auswirkung von Umweltfaktoren auf Pflanzen zu treffen.

Was sind Merkmale?

Farbe, Geschmack, Giftigkeit – alles eine Frage der Gene

Unter einem Merkmal versteht man eine bestimmte Eigenschaft eines Lebewesens, wie z.B. die Blütenfarbe. Viele Merkmale sind äußerlich sichtbar. Andere, wie beispielsweise Geschmack oder Giftigkeit, sind von außen nicht zu erkennen. Diese können nur durch eine Inhaltsstoffanalytik bestimmt werden. Die Gesamtheit aller Merkmale, ob äußerlich sichtbar oder nicht, wird als Erscheinungsbild oder Phänotyp bezeichnet.
Mit Genotyp ist die genetische Ausstattung eines Lebewesens gemeint, welche die Grundlage für alle Merkmale ist. Damit Merkmale ausgebildet werden können, müssen die entsprechenden Gene angeschaltet sein und abgelesen werden (s. Kapitel „Wie entstehen aus Genen Merkmale“).

Was sind qualitative oder quantitative Merkmale?

Merkmal ist nicht gleich Merkmal

Manche Merkmalsausprägungen von Lebewesen sind klar abgrenzbar und erkennbar, wie beispielsweise die Blattform oder die Blütenfarbe. Solche Eigenschaften, die nur von einem oder sehr wenigen Genen gesteuert und kaum von der Umwelt beeinflusst werden, bezeichnet man als qualitative Merkmale. Mendel betrachtete bei seinen Untersuchungen solche qualitativen Merkmale. Deshalb war es ihm möglich Gesetzmäßigkeiten zu beobachten und die Mendel'schen Regeln aufzustellen (Frag die Pflaume). Qualitatives Merkmal Blütenfarbe Andere Eigenschaften sind dagegen nicht klar abgrenzbar wie Pflanzengröße oder Biomasse. Hierbei handelt es sich um messbare Eigenschaften. Sie werden i.d.R. durch mehrere Gene bestimmt und können darüber hinaus mehr oder weniger stark von der Umwelt beeinflusst werden. In der Pflanzenzüchtung ist es daher schwierig für solche Merkmale die richtigen Eltern auszusuchen und klare Voraussagen über die Merkmalszusammensetzung der Kinder zu treffen oder nach der Kreuzung bereits frühzeitig die vielversprechendsten Nachkommen auszuwählen. Neue Erkenntnisse und Methoden können bei der Selektion „der Besten“ helfen und das Züchtungsverfahren abkürzen (Frag die Traube, Teil 2 - in Bearbeitung).

Wie ist die Erbinformation aufgebaut?

Die Struktur hinter dem Merkmal

Die Erbsubstanz wird auch Desoxyribonukleinsäure (abgekürzt DNS oder englisch DNA) genannt und trägt die Information für alle Merkmale eines Organismus. Die Merkmale aller Lebewesen basieren nur auf vier Basen: Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T). Base, Phosphat- und Zuckerbestandteil bilden jeweils ein Nukleotid. Die Basen bzw. die Nukleotide sind in einer langen Kette hintereinander in den DNS-Molekülen angeordnet.
Die DNA liegt nicht als einzelnes Band von Nukleotiden vor, sondern als Doppelstrang. Zucker und Phosphat bilden das sogenannte Rückgrat, sie befinden sich außen. Die Basen der beiden Stränge paaren sich in der Mitte. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur können nicht alle Basen einander gegenüber liegen. Nur Adenin und Thymin sowie Cytosin und Guanin passen zusammen. Kennt man die Basenreihenfolge des einen Strangs, so ergibt sich daraus automatisch, in welcher Reihenfolge die Basen auf dem Partnerstrang angeordnet sind. Die Stränge sind komplementär zueinander.

Bestimmte Abschnitte bilden eine Informationseinheit. Eine neue Informationseinheit – Gen – beginnt und endet jeweils mit einer bestimmten Basenreihenfolge. So ist beim Ablesevorgang klar, von wo bis wo ein Gen reicht. Zwischen Start- und Endpunkt liegt eine große Anzahl von Basen, deren Reihenfolge das jeweilige Merkmal bestimmt. Vor- und z.T. auch nachgelagert finden sich Abschnitte, die wichtig sind für die Regulation der Ablesevorgänge eines Gens. Außerdem werden die informationstragenden Bereiche (Exons) häufig von dazwischenliegenden Abschnitten (Introns) unterbrochen. Früher wurde angenommen, dass sie keine Funktion haben („Müll-DNA“). Heute ist bekannt, dass sie Einfluss auf den Ableseprozess nehmen können.

Wie hängen Chromosomen, DNA und Gene zusammen?

Das who is who der Vererbung

Die Chromosomen, die jedes Lebewesen im Kern jeder einzelnen Zelle besitzt, bestehen aus DNA und Proteinen. Auf der DNA befinden sich in einzelnen Abschnitten die Gene. Ein Chromosom kann je nach Phase einen oder zwei „Arme“ besitzen, die Chromatiden genannt werden. Jedes Chromatid besitzt einen DNA-Doppelstrang. Die meiste Zeit liegen im Zellkern allerdings Einzelchromatiden vor. Erst vor der Mitose – der Zellteilung – werden die Chromatiden verdoppelt, so dass Chromosomen entstehen, die zwei identische Chromatiden besitzen. Dasselbe passiert auch kurz vor der Reduktionsteilung, der Meiose.

Warum unterscheiden sich Kinder von ihren Eltern?

Variabilität durch Neu-Kombination und Zufall

Kinder sehen oft ihren Eltern ähnlich. Manchmal kommen sie eher auf ihren Vater, manchmal mehr auf ihre Mutter, manchmal sind Ähnlichkeiten kaum feststellbar. Woran liegt das und wie kann man sich dies erklären? Der Grund dafür ist, dass Kinder, ob beim Menschen, bei Tieren oder bei Pflanzen, Eigenschaften sowohl vom Vater als auch von der Mutter vererbt bekommen. Bei Lebewesen mit einem doppelten Chromosomensatz erhalten die Kinder jeweils einen Chromosomensatz vom Vater, den anderen von der Mutter. Damit nicht bei jeder Befruchtung die Chromosomensätze addiert werden, sondern die Anzahl immer gleich bleibt, wird bei der Keimzellenbildung in einem Prozess, der Meiose heißt, zunächst der Chromosomensatz halbiert. Ehemals von Vater und Mutter stammende Chromosomen werden so verteilt, dass eine Keimzelle von jedem Chromosomenpaar jeweils nur eines bekommt.

Während dieses Prozesses kann es zu Überlappungen der Chromosomenarme (Chromatiden) von mütterlichen und väterlichen Chromosomen kommen. An diesen Überlappungsstellen können Brüche auftreten und über Kreuz neu zusammengesetzt werden, so dass das mütterliche Chromosom einen Teilbereich des väterlichen Chromosoms erhält und umgekehrt. Diesen Vorgang nennt man Crossing over.
Am Ende dieser Phase sind zwei Zellen mit je einem einfachen Chromosomensatz und neu kombinierten Chromosomen entstanden. Im nächsten Schritt werden die zwei Arme des Chromosoms voneinander getrennt, so dass letztendlich vier Tochterzellen entstehen, auf die das Erbgut zufällig verteilt wurde.

Bei der Befruchtung treffen Ei- und Samenzelle – also die Keimzellen von Vater und Mutter – aufeinander und paaren sich. Das heißt in der befruchteten Eizelle befindet sich ein Chromatid von der Mutter und eines vom Vater. Aufgrund der Abläufe während der Meiose sind die vom Vater gebildeten Samenzellen nicht identisch, sondern ihre genetische Zusammensetzung variiert. Gleiches gilt für die von der Mutter produzierten Eizellen. Je nachdem, welche Samenzelle mit welcher genetischen Information auf welche Eizelle trifft, können sich die Nachkommen stark unterscheiden und variieren. Die Variationen finden allerdings nur entsprechend der bei Mutter und Vater vorhandenen genetischen Ausstattung statt. Deshalb sind die Kinder zwar einerseits anders als die Eltern, haben aber auch Ähnlichkeit mit beiden.

Was passiert beim Wachsen?

Jede Zelle braucht dieselbe Information

Nach einer erfolgreichen Befruchtung wächst der Embryo, d.h. die Zellen werden vermehrt. Dazu wird jeweils der Zellkern einer Zelle geteilt und es entstehen aus einer Zelle zwei identische Tochterzellen mit exakt derselben Erbinformation. Wie läuft dieser Prozess ab, der Mitose genannt wird? Durch Verdoppelung des mütterlichen und des väterlichen Chromatids entsteht zunächst jeweils wieder ein Chromosom mit zwei Armen oder wissenschaftlich ausgedrückt ein 2-Chromatid Chromosom. Danach werden in einem Prozess, der Mitose genannt wird, die Chromatiden der Chromosomen verteilt, so dass in der neu gebildeten Zelle bei Lebewesen mit einem sogenannten diploiden Chromosomensatz wieder ein doppelter Chromosomensatz vorhanden ist: einer vom Vater und einer von der Mutter (zunächst wieder als 1-Chromatid Chromosom).

Was sind Mutationen und wie entstehen sie?

Variabilität durch Fehler

Bei der sexuellen Vermehrung und Fremdbestäubung (Frag die Gerste) stellen die Nach - kommen eine Mischung der Eigenschaften der Eltern dar. Unplanmäßig können z.T. weitreichende Veränderungen im Erbgut auftreten, die als Mutationen bezeichnet werden. Sie führen dazu, dass die Kinder plötzlich Eigenschaften besitzen, die bei den Eltern nicht verhanden waren. Ursachen dafür können Fehler sein, die bei der Verdoppelung der Chromatiden oder bei der Halbierung des Chromosomensatzes entstehen. Es kann eine falsche Base in die DNA eingebaut oder gar eine Base vergessen werden oder ein Chromosom kommt drei Mal statt nur zweimal vor.
Auch durch physikalische Faktoren wie beispielsweise UV-Strahlung oder Radioaktivität oder durch Chemikalien können Mutationen ausgelöst werden. Dies hat man sich in der Vergangenheit in der Pflanzenzüchtung zu Nutze gemacht, um Pflanzen mit neuen Eigenschaften zu versehen.

Beispiel Punktmutationen: Eine Base wird durch eine andere ersetzt.
Eventuell verändert sich dadurch die Abfolge der Aminosäuren im Protein (s. Kapitel „Wie entstehen Proteine“), was eine Funktionsänderung oder einen Funktionsverlust des Proteins zur Folge haben kann. Da aber nicht die gesamte DNA für ein Protein kodiert, können auch Veränderungen auftreten, die keinerlei Effekt zeigen.

Warum sind Mutationen wichtig?

Anpassung durch Veränderung

Die Mutation ist einer der wichtigsten Evolutionsfaktoren. Sie kann zum Vorteil für das jeweilige Lebewesen sein und setzt sich dann im Regelfall auch durch, oder sie kann nachteilig sein und führt im schlimmsten Fall zum Tod, da beispielsweise lebenswichtige Stoffwechselwege betroffen sind. Gleichfalls gibt es sogenannte stille Mutationen, die weder positive noch negative Folgen haben oder auch neutrale Mutationen, die zwar Veränderungen erzielen, aber keine Bedeutung für das Überleben des Lebewesens haben.
Mittlerweile bieten gentechnische Methoden im Unterschied zu Mutationen die Möglichkeit gezielt neue Eigenschaften in Pflanzen einzubringen. Auch Pflanzen, die sich nicht geschlechtlich vermehren und deren Nachkommen folglich ihren Eltern in ihrer Merkmalszusammensetzung entsprechen, können durch Mutationen verändert werden, so dass auch hier verschiedene Varianten auftreten und Anpassungen stattfinden können.

Wie entstehen aus Genen Merkmale?

Eiweiße sind nicht nur zum Essen da

Während die auf der DNA lokalisierten Gene die Träger der Erbinformation sind, sind die Proteine die wichtigen Akteure für ein Lebewesen. Die Art, Zusammensetzung und Struktur der Eiweiße bestimmen im Wesentlichen die Eigenschaften eines Organismus und sorgen dafür, dass Pflanzen sich entwickeln und wachsen. Es gibt eine ganze Reihe von Proteinen mit unterschiedlichen Aufgaben. So gibt es Proteine, die die Gerüstsubstanz für Gewebe und Zellen bilden, die zuständig für die Regulation von Stoffwechselprozessen sind, welche Wachstums und Reifungsprozesse steuern oder deren Aufgabe der Transport von Stoffen oder auch die Abwehr von Krankheiten und Schädlingen ist. Aufgebaut sind die Proteine aus Ketten von Aminosäuren, die in einer bestimmten räumlichen Struktur gefaltet sind.

Wie werden Proteine gebildet?

Kopieren, Transportieren und Übersetzen

Da die Erbinformation sehr wertvoll ist, darf sie unter keinen Umständen beschädigt werden. Deswegen verbleibt die DNA immer im Zellkern. Da die Proteinsynthese aber im Zellplasma stattfindet, wird eine Transportform, die Boten-RNA (Messenger- oder mRNA) genutzt. Je nachdem, welche Proteine die Zelle gerade benötigt, werden bestimmte Bereiche der DNA (angeschaltete Gene) auf dem 1-Chromatid Chromosom abgelesen und in die mRNA umgeschrieben. Dieser Prozess heißt Transkription. Auch RNA besteht aus aneinandergereihten Nukleotiden, die aus einem Phosphat, einem Zucker (Ribose) und einer Base aufgebaut sind. Wie bei der DNA kommen vier verschiedene Basen vor, drei davon sind identisch mit denen der DNA (Adenin, Guanin und Cytosin), die vierte RNA-Base heißt Uracil. Immer drei Basen bilden eine Einheit (Triplett) und kodieren für eine Aminosäure.
Die mRNA kann nach Bedarf auf- und abgebaut werden und wird aus dem Zellkern ins ins Cytoplasma transportiert. Dort lagern sich große Enzymkomplexe, die Ribosomen, an die mRNA an. Die Aminosäuren werden mit der Transfer- oder tRNA verknüpft in die Ribosomen eingeführt, wobei sich die komplementären Basen der tRNA an die Basen der mRNA anlagern. In den Ribosomen werden die einzelnen Aminosäuren zu Proteinen verknüpft. Das „Übersetzen“ aus der Sprache der Nukleotide (mRNA) in die Sprache der Aminosäuren (Proteine) heißt Translation.

Es wird jedoch nicht das gesamte Genom (die gesamte DNA) in Proteine übersetzt. Große Bereiche werden nicht in Proteine übersetzt. Früher wurde dieser Teil der DNA „junk-DNA“ – also „Müll-DNA“ – genannt, da ihnen keine Funktion zugeordnet werden konnte. Heute weiß man, dass auch diese nicht-kodierenden Bereiche Aufgaben übernehmen. Sie steuern zum Beispiel, wann Gene abgelesen oder welche Teile davon in Proteine übersetzt werden.

Wie sehen Proteine aus?

Struktur bestimmt Funktion

Proteine sind Makromoleküle, die aus Aminosäuren aufgebaut sind. Bei der Proteinbiosynthese werden die Aminosäuren durch Peptidbindung zu Ketten verknüpft.
Proteine befinden sich in allen Zellen und üben wichtige Funktionen aus. Ihre räumliche Struktur bedingt ihre Wirkungsweise. Neben der Primärstruktur, mit der die Abfolge der Aminosäuren einer Polypeptidkette bezeichnet wird, unterscheidet man die Sekundärstruktur, die sich aufgrund von Wechselwirkungen zwischen den Seitenketten der beteiligten Aminosäuren bildet.
Diese schraubenförmigen Strukturen (Helix) bzw. Faltblattstrukturen können zu einer übergeordneten Raumstruktur gefaltet werden, der Tertiärstruktur. Last but not least können sich mehrere Proteine zu Proteinkomplexen zusammenschließen, was als Quartärstruktur bezei chnet wird. Die räumliche Struktur der Proteine entsteht auf der Grundlage der beteiligten Aminosäuren, deren Ursprung im genetischen Code liegt. Genmutationen, Fehler bei der Transkription oder Translation sowie Umweltfaktoren können zu einer Änderung der Primärstruktur und damit zu Faltungsfehlern führen. Dies kann den Funktionsverlust des Proteins zur Folge haben.

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